Romeo für immer, Band 02
keinen Grund, misstrauisch zu sein. Vielleicht ist das Ganze einfach nur ein zufälliges Zusammentreffen im Universum.
Ich bringe ein Lachen zustande. »Ich habe dich mit jemandem verwechselt. Du siehst einem Freund ähnlich, mit dem ich letzten Sommer in der Theater- AG war. Er hat den Benvolio gespielt und ich den Romeo.«
»Ach, wirklich?« Er weiß, dass ich lüge. »In welchem Stück denn?«
»In dem Stück, in dem ein Romeo vorkommt?« Langsam verliere ich die Geduld. » Romeo und Julia? «
Angesichts meines besserwisserischen Untertons hebt er erstaunt die Augenbrauen. »Kenne ich nicht.«
»Du kennst Romeo und Julia nicht? Lebst du auf dem Mond?« Aus den Augenwinkeln nehme ich eine Bewegung wahr. Ariel nähert sich zögerlich.
Mist! Ich hatte sie völlig vergessen. So einen Fehler kann ich mir nicht leisten. Auch wenn es noch so verstörend ist, sich mit einem Cousin zu unterhalten, der eigentlich seit ungefähr sechshundert Jahren unter der Erde liegen müsste.
Ich lege lächelnd meinen Arm um ihre Taille.
»Ist alles okay?«, fragt sie mich.
»Ja, alles bestens. Und was ist mit dir?« Sie nickt und wirft Ben einen ängstlichen Blick zu. Ich ziehe sie näher an mich heran. Ben/Benvolio soll wissen, dass Ariel und ich zusammen sind, damit er sich keine falschen Hoffnungen macht. Ben Luna hatte nämlich eine Schwäche für schlanke Blondinen. Ganz besonders für diese hier. »Ariel, das ist Ben. Ben, das ist Ariel.«
»Hallo«, sagt er mit einem warmen Lächeln, für das ich ihm gerne die Zähne einschlagen würde. Das ist nicht Ben Lunas Lächeln. Es ist Benvolios Lächeln. Mit diesem Lächeln hätte er einige Herzen brechen können, wenn er nicht immer so anständig gewesen wäre. Er hätte niemals die Tugendhaftigkeit eines Mädchens aufs Spiel gesetzt.
»Ben hat mir gerade erzählt, dass er noch nie von Romeo und Julia gehört hat.« Ich küsse Ariel auf den Scheitel, als Zeichen dafür, dass sie zu mir gehört.
»Oh«, sagt sie. Es klingt angespannt und verstört. Bestimmt ist sie mit ihren Gedanken noch bei der Prügelei und möchte sich bei mir bedanken, weil ich sie verteidigt habe. »Ist das der Name einer Band?«
»Es ist ein Theaterstück«, erklärt Benvolio. »Aber mach dir nichts draus. Ich kenne es auch nicht.«
Ich kenne es auch nicht? Verdammt noch mal, was soll das?
Angst und Misstrauen machen sich in mir breit. Ich frage mich …
Plötzlich kommt mir ein Gedanke.
Wir müssen zur Bibliothek. Jetzt sofort.
»Bitte entschuldige, Ben, aber wir müssen los. Wir haben etwas Wichtiges in der Bibliothek zu erledigen«, erkläre ich, während ich Ariel zum Auto zerre.
»Okay.« Sein Blick wandert zwischen Ariel und mir hin und her, als wolle er herausfinden, ob sie freiwillig mitgeht oder ob sie meine Geisel ist. Am liebsten würde ich jetzt meine Zähne fletschen und ihn anknurren.
Stattdessen lächle ich möglichst freundlich. »Bis demnächst«, sage ich und wende mich wieder Ariel zu. »Bitte entschuldige. Ich weiß, wir wollten eigentlich frühstücken, aber … «
»Schon gut.« Sie entzieht mir ihre Hand und geht mit verschränkten Armen zum Wagen. »Ich habe sowieso keinen Hunger mehr.«
Vor der Beifahrertür bleibe ich unschlüssig stehen. Eigentlich würde ich sie gern so schnell wie möglich ins Auto bugsieren, aber ich kann es mir nicht leisten, sie zu verärgern.
»Was ist denn los? Habe ich etwas falsch gemacht?« Ich lasse betrübt den Kopf hängen und versuche, möglichst beschämt auszusehen. »Es tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe. Aber ich konnte mich einfach nicht beherrschen. Die Jungs sollen wissen, dass sie von jetzt an keine Spielchen mehr mit dir treiben dürfen.«
»Du hast mich nicht erschreckt. Ich fand es wunderbar … « Sie sieht mich aus großen, verstörten Augen an. »Es hat mir gefallen, dich dabei zu beobachten, wie du sie vermöbelst. Ich fand es sehr schade, dass der andere dich zurückgehalten hat.« Sie schluckt und flüstert: »Ich wollte, dass du Jason Kim die Nase blutig schlägst.«
Ich blinzle überrascht. Das gefällt mir. Auch wenn ich weiß, dass es eigentlich nicht so sein sollte. Ich bin schließlich hier, um Ariels dunkle Seite zu bekämpfen, nicht um sie auf den Geschmack zu bringen und ihren Blutdurst zu entfachen. Aber ich habe nicht gewusst, dass sie blutrünstig ist. Sie schien so lieb zu sein. Meistens jedenfalls. Wenn sie nicht gerade versucht, uns beide umzubringen, indem sie den Wagen in die Schlucht lenkt,
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