Romeo für immer, Band 02
damit etwas, was sich mir nur schwer erschließt. Die Geschichte von seinem Fluch und seiner Seele, die in Dylans Körper wohnt, kann ich besser nachvollziehen. Die Existenz von Magie und Zauberei schien mir immer schon sehr viel wahrscheinlicher zu sein als so manche wissenschaftliche These. Allein der Gedanke, dass unsere Körper aus winzig kleinen, umherwirbelnden Atomen bestehen, die womöglich ein Eigenleben haben, verursacht mir eine Gänsehaut.
»Ich habe bisher zwei Realitäten kennengelernt«, fährt er fort. »Mir wurde aber gesagt, dass es noch mehr gibt. Die Welt verzweigt sich in viele gleichzeitig existierende Welten, die entstehen, je nachdem, welche Entscheidungen die Menschen treffen und wie diese Entscheidungen die Zukunft verändern.«
»Das ist … heftig.« Dieselben Menschen gleichzeitig in unterschiedlichen Welten. Ich frage mich, was ist, wenn seine Geschichte nicht so abstrus ist, wie sie klingt? Was, wenn … »Haben wir … Sind wir uns schon begegnet? In einer anderen Realität?«
Unsere Blicke treffen sich, und ich sehe, dass er mit sich ringt. Tut er sich so schwer, weil er mir bestimmte Dinge nicht sagen darf, oder möchte er auf diese Frage nicht antworten? »Ja«, antwortet er schließlich, und mein Herz setzt aus. »Und nein.«
Mein Herz setzt wieder ein, schlägt rasend schnell.
»Wir haben uns in der anderen Realität zwar gesehen, aber nicht miteinander gesprochen. Ich war im Dienst dunkler Mächte unterwegs, deren Sklave ich seit mehr als siebenhundert Jahren war.«
»Aber jetzt bist du frei?«
»Mir wurde eine Gnadenfrist gewährt«, erklärt er. »Aber möglicherweise hat man mich reingelegt. Die Frau, die mir durch ihren Zauber zu Dylans Körper verholfen hat … ich traue ihr nicht.«
»Ist sie eine Zauberin?«
»Wohl eher eine Hexe«, sagt er und verzieht spöttisch den Mund.
»Eine Hexe.« Ich weiß, dass er damit nicht nur ihre Zauberkraft beschreiben will. »Wie die Meerhexe in Die kleine Meerjungfrau .« Wenn ich es laut sage, klingt es albern.
So wie Romeo und ich in dem abgedunkelten Raum nebeneinander auf dem Boden sitzen, könnte man meinen, wir spielten ein kindliches Spiel. Aber es ist kein Spiel, es geht um Romeos Leben und sogar um seinen Tod, wenn ich ihn richtig verstanden habe. Im Märchen löst sich die kleine Meerjungfrau zu Meerschaum auf, weil der Prinz sich nicht in sie verliebt.
Ich glaube, ich liebe Romeo, aber sicher bin ich mir nicht. Noch nie habe ich gefühlt, was er in mir auslöst. Es ist eine überwältigende Mischung aus Freude und Angst, Glückseligkeit und unheilvoller Vorahnungen.
Und noch etwas beunruhigt mich. Sehr sogar.
»Du hast gesagt, dass du dir Dylans Körper ausgeliehen hast und seine Seele im Augenblick woanders ist.« Er seufzt. Noch bevor ich meine Frage gestellt habe, weiß ich, was er darauf antworten wird. »Kehrt er zurück?«
»Ja.«
Oh Gott! Dylan! Nicht etwa der Dylan, der mich liebt, der sich für mich prügelt und der mich küsst, als wäre ich die Heldin aus einem alten Film. Sondern der andere Dylan, der gewettet hat, dass er mich ins Bett bekommt, der Dylan, der mich für einen bescheuerten Freak hält.
»Es tut mir leid.« Romeo zieht mich zärtlich an den Zöpfen. »Hasst du mich jetzt?«
Ich schaue ihn an. »Warum sollte ich dich hassen?«
»Wir haben nicht viel Zeit. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn … « Er lässt die Augen über mein Gesicht wandern, als wolle er es auswendig lernen. »Ich möchte nicht, dass du glaubst, ich nutze dich aus. Ich bin hier, weil du mir wichtig bist. Aber es wäre vielleicht besser gewesen, wenn ich dich in Ruhe gelassen hätte.«
»Nein!« Ich bin selbst überrascht von der Heftigkeit meiner Reaktion. »Wie viel Zeit haben wir, um herauszufinden, was zu tun ist?«
Romeo zieht meine Hand an seine Lippen und flüstert: »Wenn es nach der Hexe geht, bis Freitag um Mitternacht. Insgesamt drei Tage nach meiner Ankunft in Dylans Körper.«
Drei Tage. Das heißt also, morgen Nacht könnte alles vorbei sein. Wenn es mir nicht gelingt herauszufinden, wie ich ihm helfen kann, dann … Was geschieht dann? Ich weiß es nicht. Aber ich befürchte, dass es böse endet. Sehr böse.
Wortlos öffne ich meine Arme. Ich kann den Gedanken an seinen Tod oder gar Schlimmeres nicht ertragen. Ich mag mir auch nicht vorstellen, wie es ohne ihn sein wird. Ich will ihn umarmen und ihm ganz nah sein, solange er noch einen Körper hat und mir seine Gefühle zeigen kann.
Ich
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