Romeo für immer, Band 02
mein längst verloren geglaubtes Gesicht aus der Vergangenheit wieder hat lebendig werden lassen. Sie hat mich gerettet und mich zu einem guten Menschen gemacht. Und nun werde ich sie retten. Ich weiß jetzt auch, wie. Die Antwort war die ganze Zeit da und hat nur darauf gewartet, durch die Liebe enthüllt zu werden.
Julias Amme sagte, wenn ich versage, würde ich erneut verbannt und in dem Körper in der Höhle landen. Ich kann nur hoffen, dass das gleichzeitig bedeutet, dass ich in der Welt bleibe, in der Ariel lebt und meinen Schutz braucht. Morgen Nacht, wenn die Botschafterin mir den Schwur abnehmen will, um mich zum Friedenswächter zu machen, werde ich den Eid verweigern. Ich werde wieder in meinen zerstörten Körper zurückkehren und die kommenden Jahrzehnte damit verbringen, meine Liebste zu beschützen, bevor ich irgendwann endgültig zu Staub zerfalle.
Natürlich werde ich mich von Ariel fernhalten müssen. Sie soll nicht sehen, was aus mir geworden ist. Aber ich werde ihr immer nah genug sein, um sie vor den Söldnern zu schützen, die sie quälen wollen. Ich kenne alle ihre heimtückischen Tricks, und mein Seelengeist wird ihre schwarzen Auren erkennen. Sobald sich einer von ihnen in die Nähe meiner Liebsten wagt, werde ich ihm den Kopf von den Schultern reißen. Wahrscheinlich werden sie mich irgendwann erwischen, aber bis dahin werde ich Ariel so viel Zeit wie möglich verschaffen.
Ich ziehe sie noch näher an mich. »Sollte ich nicht bleiben können, dann werde ich auf dich aufpassen und dich beschützen, so gut ich kann, das verspreche ich«, flüstere ich in ihr Haar. Sie liegt schwer in meinen Armen und ist schon fast eingeschlafen.
»Aber du musst bleiben.«
»Ich werde es versuchen. Falls es mir nicht gelingt … « Ich zögere, denn ich möchte es eigentlich nicht aussprechen, aber es muss sein. »Bitte, halte dein Versprechen. Liebe einen anderen.«
»Könntest du eine andere lieben?«
Wieder zögere ich. Könnte ich? Niemals! Wenn ich die Augen schließe, sehe ich immer nur Ariels Gesicht vor mir. Aber das darf ich ihr jetzt nicht sagen.
»Ich habe schon einmal eine andere geliebt.«
»Liebst du sie immer noch?«
»Nicht so wie dich.« Ich kann nicht lügen. Nicht in dieser Sache. Meine Gefühle für Julia haben sich geändert. Sie lebt in meiner Erinnerung, doch wenn ich an ihr hübsches Gesicht denke, fühle ich nur noch Schuld und Reue.
»Was ist jetzt anders?«
»Meine Liebe zu Julia war … egoistisch. Ich habe die meiste Zeit damit verbracht, Liebesgedichte zu verfassen, weil ich glaubte, damit einen guten Eindruck zu machen. Und ich habe mir den Kopf darüber zerbrochen, ob unsere Romanze meinen Vater auch wirklich kränkt. Meist stand ich mir selbst im Weg, wenn ich mit ihr zusammen war. Ich war so sehr mit Romeo beschäftigt, dass ich Julia gar nicht richtig wahrgenommen habe. Aber mit dir … Schon an unserem ersten Abend hast du mich überrascht und zum Nachdenken gebracht. Du hast Gefühle in mir wachgerufen und … « Ich hole tief Luft und spreche es aus. Ich vertraue auf die Wahrheit. »Gestern war einer der schönsten Tage meines Lebens. Aber ich habe meinen Gefühlen misstraut, ich glaubte, sie seien nicht echt. Und dann, heute, war auf einmal alles sonnenklar. Ich liebe dich. So wie ich noch nie einen Menschen geliebt habe. Ich liebe dich so sehr, dass ich mir wünsche, du könntest einen anderen lieben, wenn ich weg bin.«
Sie seufzt. Es ist ein süßer, trauriger Seufzer, der mir sagt, dass ich die passenden Worte gefunden habe. Zum ersten Mal stimmen die passenden und die wahren Worte überein.
»Aber du bist nicht weg, du bist hier. Und ich kann mir einfach nicht vorstellen, für einen anderen das Gleiche zu empfinden wie für dich.« Sie besiegelt ihre Worte mit einem langen Kuss. »Versprich mir, dass du versuchen wirst zu bleiben.«
»Ich würde alles tun, um bleiben zu können.«
»Ich auch«, seufzt sie, legt ihren Kopf auf meine Brust und schläft auf der Stelle ein. Von einer Sekunde auf die andere, wie ein kleines Kind. Ich lausche ihrem Atem und präge mir jede Einzelheit ein. Das Heben und Senken ihrer Brust, den Duft ihres Haares, das sich über ihr Kopfkissen ergießt. Ich möchte nicht einschlafen, keine Sekunde unseres wunderbaren Zusammenseins will ich vergeuden. Aber mein geborgter Körper ist menschlich, und die Müdigkeit übermannt mich schließlich doch. Ich drehe mich auf die Seite und bin fast eingeschlafen. Deshalb halte ich das
Weitere Kostenlose Bücher