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Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Titel: Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kirk
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Stammsitz der Nakata begleitete. Wie nicht anders zu erwarten, war das Anwesen prachtvoller als alles, was er je gesehen hatte. Die Gärten waren ein einziges Kunstwerk: stille, klare Teiche, über die sich hier und da elegante, mit Schnitzereien verzierte Brückenbögen spannten, die zu perfekt geharkten Sand- und Kiesflächen führten. Dicke, blasse Karpfen schwammen unter blühenden großblättrigen Lotuspflanzen dahin und kamen, als die Samurai vorübergingen, mit erwartungsvoll schmatzenden Mäulern an die Wasseroberfläche.
    Die Festung selbst, die fast nachträglich erbaut wirkte, wurde von Männern mit langen Hellebarden bewacht, in deren Holzschäfte goldene Bänder eingelegt waren, sodass jede einzelne dieser Waffen wertvoller war als alles, was Kazuteru besaß.
    Bevor sie die ganze Pracht gebührend bewundern konnten – oder, vermutete Kazuteru, vielleicht eher, bevor sie noch irgendwelche Schwachstellen an der Festung entdecken konnten –, führte man sie schnell zur Residenz des Fürsten und zu ihren prächtigen Quartieren. Dort kümmerten sich schöne Mädchen um sie alle, und man bot ihnen ein entspannendes Bad im Wasser einer heißen Quelle, das Nakata über fast eine halbe Meile herbeileiten ließ. Dann folgte das Abendessen.
    Fürst Nakata, sein Sohn Hayato und Fürst Shinmen nahmen in der Mitte des Saals auf einem Podium Platz, während links und rechts an den Wänden je zehn Leibwächter beider Clans saßen. Kazuteru hatte man am weitesten von Fürst Shinmen entfernt platziert. Auf einem mit Blattgold verzierten Teller vor ihm lagen Scheiben von rohem Seefisch, fangfrisch in diese Bergfestung befördert. Die Essstäbchen, die er in der Hand hielt, waren kunstvoll versilbert.
    Kazuteru betrachtete das alles verblüfft. Es erschien ihm immer noch erstaunlich, dass er sich in solchen Situationen wiederfand. Im Grunde seines Herzens wusste er, dass er nicht hierhergehörte, umgeben von solcher Pracht. Das hatte er nicht verdient. Er war viel jünger als die Männer an seiner Seite und verfügte über keine außergewöhnlichen Fähigkeiten im Schwertkampf, doch nach Munisais Seppuku war er befördert worden und gehörte nun Shinmens persönlichem Gefolge an.
    Zufällig und ungewollt war ihm Ruhm zuteilgeworden – wie er doch die Erfindung des Holztafeldrucks verfluchte! Diese verdammten Druckerpressen waren der jüngste Geniestreich japanischer Ingenieurskunst, was in Wahrheit hieß, dass jemand einige Jahre zuvor, während des ersten Kriegs, ein solches Gerät in Korea entdeckt und es mit nach Hause geschleppt hatte. Die Geräte vollbrachten in Sekunden, wozu früher ein Künstler mit zahlreichen Gehilfen Stunden gebraucht hätte.
    Die Drucke, die dabei herauskamen, waren natürlich keine großen Kunstwerke. Sie zeigten meist nur schlichte schwarze Silhouetten, die altbekannte Geschichten illustrierten, aber sie gestatteten dem gemeinen Mann zum ersten Mal, sich kultiviert zu wähnen. Die neue Technik, eine Novität, die bald eine eigene Industrie begründen sollte, erfreute sich in Kyoto, Osaka und Edo schnell wachsender Beliebtheit, und daher hatte sich selbstverständlich auch Nakata so eine Maschine beschafft. In den vergangenen Monaten war sie vor allem damit beschäftigt gewesen, in hoher Auflage Drucke einer ganz besonderen Szene herzustellen, die den Titel trug:
Die Offenbarung des Landesbesten – und dessen, was in ihm steckte
.
    Kazuteru hatte die Darstellung zuerst in seiner Kaserne gesehen, wo einige Samurai mit steinerner Miene ein Exemplar herumreichten. Es war eine teurere Ausgabe gewesen, bei der ein Künstler die hervordringenden Eingeweide und die Blutspritzer liebevoll mit roter Tusche nachkoloriert hatte. Der Druck zeigte Munisais Seppuku: die Karikatur eines affenartig aussehenden Mannes auf Knien mit einem Schwert im Bauch. Er hatte die Augen in kindischer Qual zugekniffen, Tränen liefen ihm die Wangen hinab, und seine Zunge ragte hervor.
    Der Samurai, der hinter ihm stand, wirkte im Gegensatz dazu groß, gut aussehend und stark. Mit stoischer Miene hielt er das Schwert stolz empor, während aus seinen Augen Verachtung sprach. Er war das genaue Gegenteil dessen, was sich da zu seinen Füßen wand, und neben dem makellosen Gesicht des jungen Mannes stand deutlich lesbar der Name Kazuteru Murayama.
    «Na, dir hat diese ganze Sache ja nicht gerade geschadet, was?», giftete einer der Samurai.
    Kazuteru versuchte seine Unschuld zu beteuern und ihnen zu versichern, er fände es

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