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Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Titel: Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kirk
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peinlich, so hervorgehoben zu werden, aber sie hörten ihm nicht zu. Natürlich waren sie verpflichtet, Munisai zu verurteilen, aber unausgesprochen herrschte unter ihnen Einigkeit darüber, dass er unter fragwürdigen Umständen ums Leben gekommen war. Sich deshalb gegen Shinmen oder die Nakata aufzulehnen, war natürlich undenkbar und hätte gegen alles verstoßen, was ihnen als Samurai heilig war. Deshalb ließen sie ihren Abscheu an Kazuteru aus.
    Doch sosehr ihn seine Kameraden auch verachteten: Da Fürst Shinmen dem Inhalt des Drucks nicht widersprach und ihn in seinem Reich frei zirkulieren ließ, wurde die Geschichte für Tausende Männer aller Stände, die sie schwarz auf weiß sahen, zu einer unbestreitbaren Tatsache. Munisai war entehrt und Kazuteru berühmt, und so kam es, dass durchreisende Würdenträger und Höflinge darum baten, ihn kennenzulernen.
    Das geschah so oft, dass Fürst Shinmen ihn der Einfachheit halber in seine Leibwache berief, statt ihn jeweils herbeizuzitieren. Doch jedes Mal, wenn Kazuteru jemandem vorgestellt wurde, bemerkte er den enttäuschten Blick darüber, dass da kein legendärer Krieger kniete, sondern lediglich ein unscheinbarer junger Mann.
    Eine weitere Schande, die er zu ertragen hatte. Immerhin profitierte seine Mutter von seinem aufgestockten Salär. Unerwünscht von denen, die neben ihm saßen, und eine Enttäuschung für Männer aus Dutzenden Fürstentümern, hielt Kazuteru nun den Blick gesenkt, während sein Herr und dessen Verbündete zum Klang eines an verborgener Stelle gezupften Kotos speisten und Pläne schmiedeten.
    «Der Feldzug unseres Regenten in Korea steht vor dem Ende», sagte Fürst Nakata, nachdem die von der Etikette verlangten Formalitäten erledigt waren: das höfliche Erkundigen nach dem gesundheitlichen Befinden und die subtilen gegenseitigen Lobpreisungen und Ehrbezeugungen. «‹Lasst meine Soldaten nicht als Geister enden, die fremde Länder heimsuchen›, lautete sein letztes Edikt.»
    «Ja, ich habe davon gehört», erwiderte Shinmen, «und obwohl ich bete, dass es nicht der Wahrheit entsprechen möge, teilen mir meine Gesandten aus Kyoto mit, dass unser Regent auch selbst vor dem Ende steht. Seine Gesundheit lässt ihn zusehends im Stich, und dann …»
    «Und dann …», wiederholte Nakata und nickte.
    Der Krieg. Das war es, was sie sich nicht auszusprechen gestatten konnten. Sobald der Regent Toyotomi aus dem Leben schied, würde ganz Japan von den Wölfen zerrissen werden. Die Kämpfe zwischen den einzelnen Clans, die das Land so lange geplagt hatten, würden ruhen, man würde kleinlichen Groll und Grenzstreitigkeiten beiseitelassen, denn nun ging es ums Ganze.
    «Wenn das geschieht – möge es noch zehn Jahre, nein, zehn Lebensspannen hin sein –: Was ist dann, mein Verbündeter, Euer Plan?», fragte Fürst Nakata.
    «Wir sollten uns wie stets an die Seite unseres Herrn Fürst Ukita stellen», gab Shinmen zurück. «Sein Wille ist auch meiner. Es sei denn …»
    «Ich beteilige mich nicht an irgendwelchen Täuschungsmanövern», sagte Nakata, wobei aufgrund seiner stets zusammengekniffenen Augen nicht zu erkennen war, ob er sich für diese Lüge aller Fürsten schämte. «Auch ich beabsichtige, an der Seite unseres Herrn Fürst Ukita zu weilen, aber ich betone: an der Seite. Ich habe nicht vor, einfach nur in der großen Schar seiner Verbündeten aufzugehen, wie es ihm vermutlich am liebsten wäre, wenn er seine Truppen aufmarschieren lässt.»
    «Tatsächlich …»
    «Ich werde ihn an meine Unabhängigkeit erinnern. Und ich möchte Euch, meinen engsten Verbündeten, um Eure Hilfe dabei ersuchen», sagte Nakata und fügte, als er Shinmens beklommenen Blick bemerkte, hinzu: «Seid unbesorgt. Ich werde nicht zu gewaltsamen Mitteln greifen. Nein, man sollte sich gegenwärtig keine neuen Feinde schaffen. Ich möchte ihn lediglich daran erinnern, wozu ich … wozu
wir
fähig sind.»
    «Und wie das?», erkundigte sich Shinmen.
    «Mit einem Reitertreffen», sagte Nakata.
    «Ein Höllenstrudel?», stotterte Shinmen.
    «Wir wollen uns doch eines höflichen Tons befleißigen, mein Verbündeter … Ein Reitertreffen.»
    Da konnte Nakata noch so feinsinnig tun: Kazuteru war als kleiner Junge Zeuge einer solchen Veranstaltung geworden und wusste daher, dass die Bezeichnung, die sein Herr gewählt hatte, durchaus treffend war. Manche nannten es auch «das Gedränge des Todes». Kazuteru erinnerte sich an das Donnern der Hufe und die überwältigende

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