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Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Titel: Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kirk
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und wies dann mit dem Arm dorthin, wo sich der Feind befinden musste.
    «Tja, Jungs», sagte Kumagai, «jetzt geht’s los. Ich baue auf euch alle.»
    Er schenkte ihnen ein letztes Grinsen und setzte sich dann die eiserne Gesichtsmaske auf, eine zähnefletschende Dämonenvisage mit rotbraunem Schnurrbart. Den Speer in der einen Hand, zog er mit der anderen sein Langschwert und richtete es auf den Nebel, der vor ihnen lag.
    «U! Ki! Ta!», brüllte aus der Ferne eine vertraute Stimme.
    «Hwa!»
, brüllten Tausende ein letztes Mal, und dann zogen die Heere des Westens los.
    Sie bewegten sich in schnellem Marschschritt voran, auf den Kampf gefasst, aber zögernd, da sie nicht sehen konnten, was genau sie erwartete. Auch Bennosuke spähte in den Nebel hinein und fragte sich bei der geringsten Andeutung von etwas Dunkelgrauem, ob es die Vorhut von Tokugawas Heer oder einfach nur Dunstschemen waren.
    Je weiter sie vordrangen, desto mehr hatte er das Gefühl, dass der Knoten in seinem Magen kurz davor war zu platzen. Diese gigantische Masse, die ihn verschlungen hatte, war vollkommen kopf-, hirn- und gedankenlos. Ukita bewegte seinen Fächer auf und ab, auf und ab, und trieb damit sein Heer voran, so selbstzufrieden wie ein kleiner Junge, der nach einer Fliege schlägt. Aber er hatte ja auch noch seine Leibwächter, die sich um ihn werfen würden, sollte sich für ihn auch nur die geringste Gefahr ergeben, nicht wahr?
    Warum bin ich bei Kumagai geblieben?, fragte sich Bennosuke. Warum war er nicht eine Woche nach dem Reitertreffen wieder verschwunden und nach Miyamoto und zu Dorinbo heimgekehrt? Sein Onkel hätte ihm alles verziehen. Doch er wusste, dass Munisais Rüstung wohl immer noch dort stand, stets bereit, ihn zu verhöhnen.
    Weshalb stellte er sich diese Fragen jetzt, weshalb hatte er sie sich in den vergangenen beiden Jahren nie gestellt?
    Im Grunde seines Herzens kannte Bennosuke den Grund. Er ritt gemessenen Schritts hinter ihm einher, und der Junge war hin- und hergerissen, ob er nun nach vorn oder hinter sich blicken sollte. Innerhalb des Pulks der Fürsten und Leibwächter und Banner und Pferde, dieses riesigen Aufgebots an Farben und Pomp, war das Burgunderrot der Nakata immer noch gegenwärtig.
    «Bogenschützen!», schrie plötzlich jemand, und hektisch wurden Pfeile aufgelegt, während die Linien abrupt zum Stillstand kamen.
    Die Tokugawa befanden sich direkt voraus, Reihen um Reihen dunkelgrauer Männer im silbergrauen Nebel. Es waren so viele, dass man nicht bis ans Ende des Heeres sehen konnte. Schweigend standen sie dort und warteten. Ukitas Bogenschützen spannten die Sehnen, und seine Arkebusiere richteten ihre Büchsen auf den Feind, doch der Feuerbefehl blieb aus.
    Vor den Reihen der Tokugawa stand ein einzelner Mann und wartete. Ein Meisterkämpfer.
    Das war nicht anders zu erwarten. Wenn dies eine Schlacht um das ganze Land werden sollte, musste sie angemessen begonnen werden. Wenn man auf ihn geschossen oder eine Salve auf Tokugawas Heer abgefeuert hätte, während er dort stand, hätte man sich der Feigheit schuldig gemacht. Langsam und unaufgefordert wurden Bögen wieder entspannt und die Läufe der Arkebusen gesenkt.
    Der einzelne Samurai, der zwischen den Heeren stand, zog in aller Ruhe sein Schwert und verneigte sich vor der Gegenseite. Er war ein kräftiger Mann, und seine Rüstung betonte ebenso seine Größe, wie sie seinen unbedeckten Kopf zwischen den mächtigen Schulterplatten klein erscheinen ließ. Seine Stimme klang selbstbewusst, ein Bariton, der mit Leichtigkeit durch den Nebel drang.
    «Mein Name ist Seibei Matsumoto!», rief er. «Ich bin ein Absolvent der Yoshioka-Schule! Schickt mir euren besten Mann!»
    Damit war eine Herausforderung ausgesprochen, und die Schlacht konnte erst beginnen, nachdem der Kampf der Besten abgeschlossen war. Das war ebenso Bestandteil der Etikette wie Seppuku, und daher war Ukitas Heer ehrenhalber verpflichtet, darauf zu reagieren. Von der berühmten Yoshioka-Schule aus Kyoto hatte selbst Bennosuke schon gehört, und nachdem Seibei gesprochen hatte, herrschte einige Sekunden lang Stille, während die Männer abschätzten, wie ihre Chancen standen.
    Schließlich trat ein Samurai aus ihren Reihen vor. Bennosuke konnte das Gesicht des Manns nicht erkennen, und als er sich Seibei vorstellte, sprach er so leise, dass Bennosuke seinen Namen nicht verstand. Er griff mit heftigen, schnellen Hieben an, mit denen er zweifellos im Laufe der Jahre schon

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