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Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Titel: Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kirk
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zahlreiche Männer getötet hatte, doch Seibei wich ihnen einfach nur aus. Er hob nicht einmal sein Schwert, um auch nur zu parieren. Er wartete auf eine Lücke, und als sie sich bot, schoss sein Schwert herbei und schlitzte dem anderen blitzschnell die Kehle auf.
    Seibei verneigte sich vor dem Toten und vor seinen eigenen Männern, die ihm zujubelten. Dann wies er wieder auf Ukitas Heer.
    «Noch einen», sagte er.
    Nun trat ein Speerkämpfer vor. Er verneigte sich vor Seibei und fragte, ob ihm auch ein Zweikampf gegen diese Waffe genehm sei. Der Yoshioka-Schüler nickte nur knapp, erwiderte die Verneigung, und dann begann der Kampf. Der Speerkämpfer schlug sich so wacker, dass Bennosuke sicher war, er würde Seibei über kurz oder lang aufspießen. Nach einer Finte und einem Ausfall traf die Speerspitze Seibei am Unterleib, aber der musste eine ausgezeichnete Rüstung besitzen, denn er stieß den Speer einfach abwärts, schritt darüber hin und entschied den Kampf für sich.
    Wiederum verneigte sich Seibei, wiederum johlten seine Kameraden seinen Namen, und wiederum wandte er sich an Ukitas Heer.
    «Noch einen.»
    Diesmal entstand eine längere Pause. Seibei war wirklich gut. Bennosuke hatte sich dabei ertappt, dass er sich zwischendurch mehrmals umgeblickt hatte. Die Fürsten waren vorgerückt, um bessere Sicht auf die Zweikämpfe zu haben, sodass es ihm nun leichter fiel, nach Hayato Ausschau zu halten. Doch es war immer noch unmöglich, einzelne Personen zu erkennen.
    «Musashi», sagte jemand in seiner Nähe. «Du kannst es doch mit ihm aufnehmen.»
    «Was?», fragte er.
    «Ja», pflichtete ein anderer bei. «Du schaffst das. Los, geh hin!»
    Er brauchte einen Moment, bis er verstand, dass sie von Seibei sprachen. Ehe er sich weigern konnte, schlossen sich alle Männer rings um ihn her dem Aufruf an. Sie ermunterten ihn, aber ihrem Tonfall entnahm er auch den Wunsch, dass er sich opfern möge. Er wandte sich an Kumagai in der Erwartung, dass der nicht einfach so seinen besten Leibwächter fortwerfen würde, doch hinter der roten Dämonenmaske funkelten dessen Augen vor ganz eigener Belustigung.
    «Tu es, Musashi, nimm diesen Yoshioka-Scheißkerl auseinander.»
    * * *
    Winter im Fort. Bennosuke schob oben auf dem Holzturm Wache, Atemwolken ausstoßend. Die Nacht war still und klar, die Sterne am Firmament eisfarben. Drunten, wie üblich abseits von ihm, hatten sich die anderen Männer um ein Lagerfeuer versammelt. Langeweile und Isolation begannen, ihnen zuzusetzen: Was als Go-Partie begonnen hatte, war dazu degeneriert, dass ein Mann gegen die anderen wettete, er könne einen Spielstein in eine zehn Schritt entfernte Tasse spucken.
    Beim ersten Versuch spuckte er nicht weit genug, beim zweiten übers Ziel hinaus. Das weiße Steinchen kullerte in die tiefe, steilwandige Grube des Lagerfeuers und blieb inmitten der glühenden Kohlen liegen.
    «Dann musst du’s wohl wieder rausholen», sagte Kumagai lächelnd. Er hockte am Rand des Feuerscheins, das Gesicht orangefarben erhellt.
    «Es ist doch nur Stein», erwiderte der Wettspucker, «ich hole es morgen früh da raus.»
    «Dieses Steinchen ist aus Muschelschale, bis dann ist es verkohlt. Hol es sofort raus.»
    Dem Mann war klar, dass er seinem Hauptmann nicht widersprechen durfte, und so holte er einen Schürhaken herbei und versuchte damit, das Go-Steinchen aus dem Feuer zu scharren. Er versuchte es auf Armeslänge, während die Luft über dem Feuer vor Hitze flirrte. Fünf Mal versuchte er es, und jedes Mal bekam er das Steinchen nicht richtig zu fassen, und es kullerte wieder zurück.
    «Sieht so aus, als müsstest du die Hand nehmen», sagte Kumagai.
    «Wie bitte?»
    «Nimm die Hand», wiederholte der Hauptmann. Er war sehr ruhig, und das Feuer erhellte das Funkeln in seinen Augen.
    «Das ist zu heiß, Herr», erwiderte der Mann nach kurzem Schweigen.
    «Egal. Verstehst du denn nicht, dass du keine Wahl hast? Alles ist vorbestimmt, unser Name, sogar unsere Augenfarbe. Dir war es immer vorbestimmt, dieses Go-Steinchen zu spucken. Und ebenso war es dir immer vorbestimmt, mit der Hand danach zu greifen.»
    «Aber …»
    «Wovor hast du Angst? Was dir geschehen könnte, ist dir längst geschehen – wie kann es dich also ängstigen? Begreifst du denn nicht, dass deine Mutter dich schon verbrannt geboren hat? Ist dir nicht klar, dass deine Mutter dich schon
tot
geboren hat?»
    Kumagai starrte den Mann an. Das Feuer knisterte. Frost schlug sich fein wie Spinnweben

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