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Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Titel: Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kirk
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Schwert konzentrierte, desto stärker erfasste ihn eine friedliche Losgelöstheit. Er näherte sich noch weiter, geradezu in Trance versetzt von der Klinge, dem Blut daran, den Einzelheiten der Parierscheibe, die einen Drachen darstellte, der seinem eigenen Schwanz nachjagte. Es zählte jetzt einzig und allein der gegenwärtige Moment, und in dem war er höchst lebendig, und daher konnte ihn der Tod
    unmöglich
    finden
    in
    dieser
    Leere
    und dann verlor Seibei die Geduld. Er stürzte auf ihn zu und ließ sein Schwert niedersausen. Bennosuke huschte wie Geist beiseite, und Seibeis Klinge streifte ganz knapp seinen Brustpanzer. Ehe Seibei das Schwert wieder heben konnte, packte Bennosuke ihn beim Handgelenk und rammte ihn mit einer Wucht, die von keinem Gedanken gemindert war. Seibei flog das Schwert aus der Hand, und er strauchelte rückwärts.
    Einen Herzschlag lang dachte Bennosuke wieder an Munisais Worte über die Ehrlichkeit vor dem Tod. Seibei blickte ihm stolz und würdevoll in die Augen, von Angst oder Wut war da nichts zu bemerken. Der Blickkontakt währte nur kurz – dann riss Bennosuke sein Langschwert hoch und schlug ihm, mit Händen, die jahrelang geübt hatten, eine Klinge zu führen, welche über Jahrhunderte hinweg vervollkommnet worden war, den Kopf ab.
    Er war verblüfft, was für eine kleine, traurige, einfache Sache das war. Den einen Moment war Seibei noch ein stolzer, lebendiger Mensch, den nächsten weiter nichts mehr als zwei Teile aus Fleisch, Knochen und Haar. Das Haupt des Mannes kullerte beiseite, sein Leib sank zu Boden. Und in der Stille, die darauf folgte, wandte sich Bennosuke an Tokugawas Heer.
    «Das ist alles?», fragte er, aufrichtig erstaunt. «Das soll die Yoshioka-Schule sein?»
    Während er seinen Körper langsam wieder zu spüren begann, blickte er argwöhnisch auf Seibeis sterbliche Überreste hinab. Fast ergriffen ihn Schuldgefühle, so leicht war es gewesen, den Mann zu schlagen. Schnell entdeckte er des Rätsels Lösung: Dunkles Blut drang unter Seibeis Taille hervor. Der Speerstich seines zweiten Gegners. Der Yoshioka-Samurai war zu stolz gewesen, die Verletzung einzugestehen, hatte sich lieber bereits geschwächt Bennosuke gestellt – und mit dem Leben dafür bezahlt.
    Er hätte gern Bedauern empfunden, da aber drang der Jubel der Ukita-Männer zu ihm vor. Das wärmte ihm das Herz und entfachte etwas in ihm: die prickelnde Erregung des Siegs. Ihre Kraft erstaunte ihn, auch wenn er sich eines in den Tiefen seiner Seele verborgenen Stolzes auf seine Schwertkünste immer schon vage bewusst gewesen war.
    Sein Mitleid Seibei gegenüber löste sich in Luft auf, und stattdessen verachtete er den Mann nun für seine Dummheit. Hinter der Maske verzog sich sein Gesicht zu einem grimmigen Grinsen, und seine Augen funkelten weit heller, als es Kumagais je getan hatten. Er sah sich zu dem Heer um, das ihn feierte. Eine Last war von ihm genommen, und von dem Knoten in seinem Innern spürte er nichts mehr. Nun war er nicht mehr nur irgendein gesichtsloser Bestandteil dieser Menge: Die anderen waren die anderen, und er war er – ein inferiores Ganzes und ein überragender Einzelner.
    In diesem Moment war sich Bennosuke sicher, dass er all dessen würdig war: jeder Verherrlichung und jedes Ruhms, den ihm das Schicksal nur gewähren konnte. Sein Blick fiel auf die burgunderroten Banner: Welches Geistwesen auch immer ihn liebte – es hatte noch Großes mit ihm vor.

    Wenn er in späteren Jahren daran zurückdachte, was er als Nächstes getan hatte, krampften sich ihm stets vor Bedauern und Peinlichkeit die Eingeweide zusammen. Es war unfassbar dumm, und schon während er sich vor Ukitas Heer aufbaute, schrie eine innere Stimme der Vernunft, er solle es lassen. Doch sein Körper war vom Triumph berauscht, und er war sich seiner Unbesiegbarkeit absolut sicher.
    «Fürst Ukita!», brüllte er und reckte sein Schwert empor. Die Samurai nahmen an, er wolle einfach nur ihren Herrn hochleben lassen, daher schlossen sie sich seinem Ruf an und wiederholten ihn einige Male.
    «Fürst Ukita! Ich möchte Euch um etwas bitten!», schrie Bennosuke über sie hinweg.
    Ukita hörte es trotz des Getöses. Er ließ Schweigen befehlen und flüsterte einem Adjutanten etwas zu. Der wandte sich sodann an Bennosuke; es war nicht ziemlich, dass ein Fürst selbst die Stimme erhob.
    «Wer seid Ihr, dass Ihr von Eurem höchst ehrenwerten Herrn etwas zu verlangen wagt?», rief der Mann.
    «Mein Name ist Musashi

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