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Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Titel: Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kirk
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empfunden hatte – nicht, seit er Bennosuke als Säugling auf dem Arm gehalten oder miterlebt hatte, wie er seine ersten Schritte ging, sein erstes Wort sprach.
    Vielleicht hatte Dorinbo recht. Vielleicht stimmte tatsächlich etwas nicht mit ihm. Er hatte heute den Tod eines Mannes mit angesehen, und es hatte bei ihm nur dazu geführt, dass er sich wieder wie ein Vater fühlte.
    Jenseits der Talflanke, rings um die verkohlten Dorfruinen, tanzten Glühwürmchen durch die Dunkelheit.

Blutblume

Kapitel 7
    B ennosuke saß da und drehte einen Grashalm zwischen den Fingern. Die Sonne erhellte den Himmel, war aber nicht zu sehen. Kälte war ihm in die Glieder gekrochen. Ihm war das nur recht. Zwei Tage waren seit seinem Kampf gegen Arima vergangen, und seither sehnte er sich ebenso nach Trost wie nach Benommenheit.
    Seine Erinnerungen waren verschwommen. Arimas Leichnam hatte er noch ganz deutlich vor Augen, trotzdem war ihm seitdem, als hätte irgendein Gift sein Hirn betäubt. Die Bilder in seinem Kopf waberten zwischen scharf und unscharf hin und her.
    Tasumi war erstaunlicherweise der Erste gewesen, der am Abend nach dem Kampf zu ihm kam. Er hatte den ganzen Nachmittag in den Nachbardörfern Gebühren eingetrieben. Bennosuke saß, da er nicht wusste, wohin er sonst gehen sollte, im Garten von Munisais Haus. Seine Kleider waren immer noch blutbespritzt. Wortlos trat Tasumi zu ihm und begann, ihn auf Verletzungen zu untersuchen.
    «Was sollte denn das, du kleiner Irrer? Sich einfach so in den Kampf stürzen … Du hättest dabei draufgehen können», murmelte er. Seine Hände waren warm. Bennosuke sagte nichts.
    «Mit einem Langstock, hat mir dein Vater erzählt. Einem Langstock … Er sagt, du hättest ihm gleich mit dem ersten Schlag den Kiefer gebrochen», fuhr Tasumi fort, und ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen. «Das hätte ich wirklich gern gesehen. Eigentlich müsstest du jetzt tot sein – ein Junge in deinem Alter, der gegen einen Mann antritt. Aber du bist wohl unser Musashi, was?»
    Musashi Benkei – der legendäre Krieger der Vorzeit, ein Hüne, der mit dem Langstock umzugehen gewusst hatte wie kein Zweiter. Einer Erzählung nach hatte er ganz allein so lange eine Brücke verteidigt, bis sein Herr mitsamt seiner Familie Seppuku verübt hatte. Dabei tötete er Dutzende Gegner, die auf ihn zustürmten. Er starb im Kampf, seinen Stock noch in der Hand, zwanzig Mal mit dem Schwert durchstochen und mit Pfeilen geradezu gespickt. Kein einziger Mann war an ihm vorbeigekommen, und so blieben seine Ehre und die seines Herrn gewahrt. Seitdem galt sein Fallen als Inbegriff des guten Todes.
    Bennosuke fragte sich, ob Musashi wohl je auf einen Mann eingedroschen hatte, bis dessen Schädel platzte. Die Kämpfe in den alten Geschichten verliefen immer so überaus sauber: Die Bösen trafen auf den Helden, und anschließend waren sie tot. Während Tasumi ihn abtastete, betrachtete Bennosuke die Blutspritzer auf seinem Kimono, die zu einem schlammigen Braun getrocknet waren.
    Die Nacht verging, dann auch noch fast der ganze nächste Morgen, und schließlich fand er sich im Tempel bei Dorinbo wieder. Doch statt zu flechten, tat er etwas streng Verbotenes: Er sah sich eines der Gebete an. Die Zeichen auf dem vergilbten Papier kamen ihm fremdartig vor, vielleicht, weil sie ein Symbol der Zivilisation waren und er nicht wusste, ob er noch das Recht hatte, sie zu lesen.
    Als er den Blick hob, stellte er fest, dass sein Onkel ihn beobachtete. Der Junge brauchte einen Moment, bis ihm wieder einfiel, dass er etwas Verbotenes tat.
    «Tut mir leid», sagte er.
    «Macht nichts», erwiderte Dorinbo. «Wie fühlst du dich?»
    «Ich weiß nicht … Ganz normal, glaube ich. Ist das gut?»
    «Keine Ahnung.»
    «Es war nicht so, wie ich erwartet hatte … War es grausam?», fragte Bennosuke.
    «Der Tod ist immer grausam.»
    «Aber er hat dich getreten», sagte der Junge. «Ich hab dich gerettet.»
    «Und das rechtfertigt es?»
    «Ja.»
    «Die Starken beschützen die Schwachen?»
    «Ich würde dich nicht als schwach bezeichnen. Ich …», begann Bennosuke, aber der Mönch unterbrach ihn.
    «So habe ich das nicht gemeint. Was ist mit dem Mann, dem Arima die Hand abgeschlagen hat? Er heißt Akatani. Wusstest du das? Oder war er für dich nur irgendein Bauer? Drei Kinder hat er. Er ist ein Drescher – oder war es jedenfalls. Wo war die gerechte Tat, mit der du
ihn
verteidigt hast?»
    Bennosuke wusste keine Antwort, worauf Dorinbo

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