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Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Titel: Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kirk
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der Bauern vor ihm, wie bei einem Windstoß, der in hohes Gras fährt. Mit Blut bespritzt und menschlicher Hirnmasse noch an den Fäusten, verstand er sie zum ersten Mal.

    Der Armstumpf des Bauern wurde kauterisiert und verbunden, und während er auf einer harten Strohmatte lag und im Fieber immer wieder das Bewusstsein verlor, halfen seine Dorfgenossen Dorinbo dabei, Arimas Leichnam fortzuschaffen und auf einem kleinen Scheiterhaufen zu verbrennen. Wenn auch widerwillig gewährten sie dem Toten eine anständige Zeremonie, weil ihnen klar war, dass sie Menschen und keine Götter waren und ihnen also kein Urteil zustand.
    Am Abend fanden sich an der Stelle, an der Arima gestorben war, einige Raben ein, angelockt von den winzigen Fleischfetzen, die dort liegen geblieben waren. Doch auch nachdem sie diese verschlungen hatten, verharrten die Vögel noch eine Weile krächzend dort.
    Munisai sah ihnen zu, den Arm unverbunden. Die kühle Abendluft fühlte sich gut auf der Haut an. Sein Geist war mit den Ereignissen des Tages beschäftigt, daher bemerkte er es zunächst nicht, als sich sein Bruder langsam näherte. Dann witterte er jedoch das Raucharoma des Scheiterhaufens, das ihm noch anhaftete. Bewusst langsam sah Munisai auf und dem Mönch in die Augen.
    «Bist du jetzt zufrieden?», fragte Dorinbo wütend.
    «Ja», erwiderte Munisai. «Jetzt weiß ich, dass der Junge etwas taugt. Jetzt weiß ich, dass Yoshikos Bastard es wert ist, meinen Namen zu tragen.»
    «Deinen
Namen
», erwiderte Dorinbo, und ein grimmiges, ungläubiges Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht. «Ich nehme nicht an, dass du in Betracht gezogen hast, dass Bennosuke auch dabei hätte umkommen können?»
    «Doch, das habe ich. Aber wie gesagt: Jetzt weiß ich, dass er etwas taugt.»
    «Er ist dreizehn Jahre alt, Munisai.»
    «Eben.»
    «Mit dir stimmt etwas nicht», sagte Dorinbo. «Selbst für einen Samurai … Du hast nur Tod und Mord im Sinn.»
    Munisai sah seinen Bruder stumm an, bemerkte die Feindseligkeit in seinem Gesicht. Eine innere Stimme forderte ihn auf, dem Mönch zu widersprechen und ihm von den Regionen seines Geistes zu erzählen, die nicht von Gemetzel erfüllt waren, von den Träumen, in denen ihn Yoshiko verfolgte, und von dem sehnsüchtigen Wunsch, die Dinge wieder ins rechte Lot zu bringen. Doch es blieb dabei: Er war ein Samurai, und daher schwieg er. Dorinbo wartete auf eine Antwort, und als er keine bekam, seufzte er und wandte sich ab.
    «Also gut. So sei es. Du gewinnst einen Sohn und verlierst einen Bruder. Wir sind fremde Leute», sagte er und ging in die Dunkelheit davon. Munisai sah ihm nach. Irgendwann würde er schon wieder Vernunft annehmen. Hoffentlich.
    Denn schließlich war es der Mönch gewesen, der Munisai die Augen geöffnet hatte. Munisai war klar, dass er mit seiner Verwundung Arimas tödlicher Technik des Schwertziehens nicht gewachsen war, und daher hatte er seine Wut angestachelt, damit er das Schwert zog, ehe er Munisai nahe kam. Bennosuke vorzuschicken, auf dass er gegen ihn antreten solle, war eine kühl berechnete Beleidigung gewesen, nicht mehr. Wäre es schiefgegangen und hätte Arima den Jungen angegriffen, so wäre Munisai von der Seite herbeigesprungen und hätte ihm, Ehre hin oder her, mit dem Kurzschwert die Gurgel aufgeschlitzt – doch dazu war es nicht gekommen. Zwar war Arima kurz davor gewesen, sich seiner Wut anheimzugeben und sich auf Munisai zu stürzen, dann allerdings war Dorinbo dazwischengekommen.
    So ging also letztlich Bennosuke blindlings zum Angriff über, und was darauf folgte, hatte Munisai das Herz gewärmt. Als er mit der Ausbildung des Jungen begonnen hatte, hatte er lediglich gehofft, sich damit Yoshikos Vergebung verdienen zu können, jetzt aber … Oh, der Junge war stark. Und schnell. Ganz gewiss würde er einen guten Kämpfer abgeben. Doch darüber hinaus war er auch noch klug. Das würde ihn womöglich zu einem großen Kämpfer machen. Ihm stand eine glänzende Zukunft bevor, und der Gedanke, daran teilzuhaben, berauschte Munisai.
    Eines jedoch ließ ihn nicht los: Bennosuke hatte Nakata ins Gesicht gespuckt. Er hatte dem Sohn eines großen Fürsten ins Gesicht gespuckt. Das war die roheste und schlimmste Form der Beleidigung. Angesichts Nakatas Reaktion auf die kleine Spitze nach der Schlacht gegen Kanno fragte sich Munisai, was das nun nach sich ziehen würde.
    Doch das waren Sorgen von morgen. An diesem Abend schwelgte er in Freude, wie er sie seit Jahren nicht mehr

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