Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)
Regentropfen, von einem plötzlichen Windstoß einem Schiffskapitän ins Auge geweht, lässt ihn, für einen Moment geblendet, das vorausliegende Riff übersehen, worauf sein Schiff mit Mann und Maus auf den Meeresgrund hinabsinkt. Was da aus Arimas Mund drang, war weiter nichts als eine blassgrüne Ladung Spucke – doch sie bildete den Zünder, der in Bennosukes Seele ein Feuer entfachte.
Als der Speichel den bäuchlings daliegenden Mönch an der kahlen Schläfe traf, verspürte der Junge eine wilde Aufwallung von … Er hätte nicht sagen können, was für ein Schauer ihn da durchlief. Mit einem Schlag war ihm wieder warm. Die Wut von Monaten erwachte ihn ihm; sie hatte keine Richtung und brauchte auch keine. Sie war einfach nur da, und er nutzte sie. So hatte er sich fühlen wollen, als er vom Schicksal seiner Mutter erfahren hatte. Sein Herz schlug kraftvoll. Alle Angst war von ihm abgefallen.
Mit einem Wutschrei, so heftig, dass er seine Lungen zu zerreißen drohte, sprang Bennosuke vor und teilte mit seinem Langstock einen Schlag aus, der des Titels «Blitzhand» weit würdiger war als alles, was Arima zu bieten hatte. Der Stock sauste durch die Luft und traf den Mann, der sich gerade wieder zu Munisai umwandte, mit einem dumpfen Knacken seitlich am Kopf. Sein Unterkiefer brach, und der Knochen drang schief aus der Wange hervor.
Doch Arima war ein guter Kämpfer; sein erster Instinkt bestand nicht etwa darin, vor Schmerz aufzuschreien, sondern sein Langschwert zu ziehen und zum Gegenschlag auszuholen. Bennosuke kam dem zuvor, und ehe der Samurai das Schwert auch nur einen Fingerbreit aus der Scheide heraushatte, hatte der Junge mit seinem Langstock schon wieder einen Schlag gelandet. Ob Fleisch oder Stahl, was er traf, war ihm egal, jedenfalls schepperte das Schwert zu Boden.
Arima griff verzweifelt danach, doch da er vom ersten Schlag noch benommen war, reagierte Bennosuke wieder schneller und schleuderte es mit der Stockspitze fort. Es flog aufblitzend durch die Luft und blieb am Fuß der Eingangstreppe des Dojo liegen. Einer der burgunderrot gewandeten Samurai wollte hineilen, doch Munisai stellte sich darüber. Kurz funkelten sie einander an, dann wandten sie ihr Augenmerk wieder dem Kampf zu.
Arima wich zurück, um sein Kurzschwert zu ziehen. Von seinen legendären Schwertkünsten war nicht mehr viel übrig; nun war er weiter nichts mehr als ein Mann, der sich verzweifelt zu verteidigen versuchte. Er hob das Schwert schützend vor sich und umkreiste den Jungen, wobei sein Unterkiefer unaufhörlich zuckte wie im Krampf.
Vorsichtig griff der Junge an, stieß tief auf seinen Gegner ein, wahrte dabei jedoch Abstand. Arima wich parierend aus und versuchte dann einen Gegenangriff. Mit dem Langschwert hätte er hoffen können, Bennosuke zu treffen, doch der kurzen Klinge mangelte es schmerzlich an Reichweite. Sie zischte zwar nur eine Handspanne entfernt an Bennosuke vorbei, doch genauso gut hätte sich ein Ozean zwischen ihnen erstrecken können.
Angespornt von der Schwäche seines Gegners, ging Bennosuke erneut zum Angriff über und landete aus sicherem Abstand einige Treffer. Welch Ironie der Situation: Während Arimas Waffe zu kurz war, war seine zu lang. Sein Gegner gewann allmählich seine Geistesgegenwart und sein Gleichgewicht wieder und fing die Stockschläge nun gut ab. Also musste Bennosuke näher an ihn heran. Er überlegte, ebenfalls sein Kurzschwert zu ziehen, doch Arima würde den Waffenwechsel zweifellos zu einem tödlichen Schlag nutzen. Sie umkreisten einander weiter, bis Bennosuke die rettende Idee kam.
Der Junge wirbelte den Langstock einmal herum, bewusst langsam, um Arimas Deckung hochzuziehen, und nachdem Arima den nächsten Schlag pariert hatte, tat Bennosuke, als wollte er ihm den Stock, den er jetzt beidhändig wie ein Ruder hielt, vor die Brust stoßen. Arimas Augen leuchteten freudig auf, sein Schwert fuhr nieder und traf den Langstock genau in der dargebotenen Mitte. Tief drang die Schneide hinein, Bennosuke hielt mit aller Kraft dagegen, und dann brach das Holz krachend entzwei. Arima grunzte triumphierend auf, und Bennosuke ließ ihn diesen Moment genießen. Es würde die letzte Freude sein, die ihm in diesem Leben zuteilwurde.
Die eine Hälfte des Stocks beiseitewerfend, drängte Bennosuke auf seinen Gegner zu und ließ ihn mit dem Schwert nach ihm schlagen. Die Klinge bewegte sich jedoch so langsam und unbehände, dass es ein Leichtes war, das Handgelenk des Mannes zu
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