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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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Erklärung und die Bedingungen für die Vereinigung
     ausgearbeitet. Über all das führte ich lange Gespräche mit Rosa. Unsere auf dem Parteitag gestellten Bedingungen hatten wir
     vorher mit Rosa beraten, einige Mal geändert und ihre Korrekturen berücksichtigt. Die |246| endgültige Fassung wurde mit ihr vereinbart und von ihr gebilligt.« 79
    Ende April drang zu Rosa Luxemburg die Nachricht, daß sie als politisch Angeklagte der Kriegsgerichtsbarkeit überführt werden
     sollte. Ihre Situation wurde immer bedrohlicher, wenn sie es auch nicht wahrhaben wollte. »Nicht weniger als wir beunruhigten
     sich auch die deutschen Genossen«, hielt einer der einflußreichsten Funktionäre der Warschauer Parteiorganisation fest. »Besonders
     nach der Nachricht von der Überführung Rosas in den X. Pavillon. Am meisten beunruhigte sich der alte Bebel. Dauernd schickte
     er uns Aufträge und Bitten, weder Energie noch Geld zu scheuen, alle Mittel zur Befreiung Rosas zu unternehmen. ›Wir können
     nicht‹, schrieb er, ›ruhig abwarten, bis man sie zur Zwangsarbeit schickt. Unsere Partei wird keine Ausgaben scheuen. Handelt
     schnell und energisch!‹« 80
    Am 5. April 1906 brachte August Bebel Rosa Luxemburgs Situation im Deutschen Reichstag zur Sprache. Der Abgeordnete Liebermann
     von Sonnenberg hätte offenbar angenommen, erklärte er, »ich würde den Herrn Reichskanzler anrufen, zugunsten meiner Genossin
     Rosa Luxemburg zu intervenieren. Solange meine Genossin, die bekanntlich in Warschau in Untersuchungshaft ist, menschlich
     und anständig behandelt wird und soweit die Prozedur gegenüber dem, dessen sie angeschuldigt wird, was ich heute noch nicht
     weiß, sich strenge in den gesetzlichen Grenzen hält, werden wir keine Intervention anrufen; in dem Augenblick aber, wo das
     Vorgehen gegen die Frau ein ungesetzliches, brutales und willkürliches wird, wie es leider in Rußland zu befürchten ist, werden
     wir allerdings verlangen, daß in diesem Falle auch zugunsten einer deutschen Sozialdemokratin die deutsche Reichsregierung
     eingreift. Das versteht sich ganz von selbst, denn Recht und Gesetz ist nicht bloß für die Herren Antisemiten oder sogenannten
     nationalen Parteien, sondern für jeden Deutschen ohne Ausnahme vorhanden.« 81
    Als Rosa Luxemburg in den berüchtigten X. Pavillon der Warschauer Zitadelle überführt und damit von der Außenwelt isoliert
     wurde, war an Flucht nicht mehr zu denken, und die Haftbedingungen verschlechterten sich erheblich. Sie erinnerte |247| sich später noch mit Grauen an diesen Ort und das erschütternde Wiedersehen mit ihren Geschwistern: »Dort wird man in einem
     förmlichen Doppelkäfig aus Drahtgeflecht vorgeführt, d. h. ein kleinerer Käfig steht frei in einem größeren, und durch das
     flimmernde Geflecht der beiden muß man sich unterhalten. Da es dazu just nach einem sechstägigen Hungerstreik war, war ich
     so schwach, daß mich der Rittmeister (unser Festungskommandant) ins Sprechzimmer fast tragen mußte und ich mich im Käfig mit
     beiden Händen am Draht festhielt, was wohl den Eindruck eines wilden Tieres im Zoo verstärkte. Der Käfig stand in einem ziemlich
     dunklen Winkel des Zimmers, und mein Bruder drückte sein Gesicht dicht an den Draht. ›Wo bist Du‹? frug er immer und wischte
     sich vom Zwicker die Tränen, die ihn am Sehen hinderten.« 82
    Der Fünfundddreißigjährigen drohte angesichts des gegen die Revolution erklärten Kriegszustandes tatsächlich das Kriegsgericht.
     Ihre polnischen Genossen unternahmen alles, damit die Anschuldigungen entschärft wurden und sie von einer eventuellen Amnestie
     nicht ausgeschlossen blieb. Sie forcierten ihre Bemühungen erfolgreich mit Geld. Ärzte, die sie am 27. Mai im X. Pavillon
     untersuchten, kamen zu dem Schluß, daß »die Luxemburg an Blutarmut, hysterischen und neurasthenischen Erscheinungen und an
     einem Magen- und Darmkatarrh mit Lebererweiterung leide und einer Mineralwasser- und Badekur unter entsprechenden hygienischen
     und diätetischen Bedingungen bedürfe« 83 . Es gelang, den Rittmeister der Gendarmerie Suschkow mit diesem Attest und 2 000 Rubeln zu bestechen, Rosa Luxemburg gegen
     eine Kaution von 3 000 Rubel freizulassen. An dieser Befreiungsaktion beteiligten sich ihre in Warschau lebenden Brüder Józef
     und Maksymilian.
    Am 28. Juni 1906 wurde Rosa Luxemburg aus dem Kerker entlassen. Bedingung war, daß sie Warschau bis zum Abschluß der Untersuchung
     nicht verließ. Am 3.

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