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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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so mit sich selbst, mit Rollen (Rollschuhlaufen), Radeln
     und Theatergehen beschäftigt; freilich bin ich auch froh, wenn ich sie nicht sehe, denn diese abgeschmackte Gedankenlosigkeit,
     die dort herrscht, deprimiert mich tief.« 32 Sie wurde nahezu gepeinigt von Sehnsucht nach etwas völlig anderem als all dem Häßlichen und Schweren, dem man nicht ausweichen
     könne, wenn man in die Parteiöffentlichkeit tritt. 33 Sie suchte Zuflucht in der Literatur, griff zu »Eugenie Grandet«, obwohl Balzac sie nie erfrische. Sie schmiegte sich an
     ihre Katze Mimi, die sie aus der Parteischule mit nach Hause genommen hatte und, wie Freunde beobachteten, »raffiniert« erzog.
     Sie betrachtete Bilder, begeisterte sich besonders an Turners Werken, malte wieder und träumte vom Modellieren, das sie ebenso
     wie das Schreiben auch Kostja empfahl. »Mit wenig Worten alle Geheimnisse des Lebens und der Natur aussprechen« 34 sei etwas Wundervolles und für Menschen wie ihn, »einem aus der Renaissance herausgefallenen Menschen«, unbedingt erstrebenswert.
     Sie schwärmte von Reisen in den Kaukasus: »Das ist das Höchste, Schöneres an Natur kann man nicht erleben« 35 . Auf dem Sofa liegend, studierte sie den Atlas, in Gedanken packte sie schon den Rucksack und fuhr bis nach Buchara und Samarkand.
     Wenn sie viel Geld hätte, würde sie sofort in die Ferne ziehen.
    In angestrengtem Bemühen, sich aus dem Stimmungstief, aus Mißmut und Selbstmitleid herauszuwinden, entwickelte Rosa Luxemburg
     relativ rasch neuen Elan. Bald setzte sie zur journalistischen Attacke an. Neben vielen anderen Beitrgägen für deutsche und
     polnische Presseorgane schrieb sie in den folgenden Wochen zwei Artikelserien von fast hundert Seiten über »Ermattung oder
     Kampf?« und »Die Theorie und die Praxis«, die in der »Neuen Zeit« erschienen und sich hauptsächlich gegen Karl Kautsky richteten.

Jetzt balge ich mich in der Presse herum
    In dem in der »Neuen Zeit« vom 8. und 15. April 1910 abgedruckten Artikel »Was nun?« hatte Karl Kautsky gegen Rosa Luxemburgs
     Forderungen nach dem politischen Massenstreik |343| und der demokratischen Republik polemisiert. Die Zeit sei nicht reif dafür. Er wollte Rosa Luxemburgs Meinung, das Schicksal
     der Wahlrechtsbewegung hinge von diesen Forderungen ab, ebensowenig akzeptieren wie den Hinweis auf Erfahrungen während Massenstreiks
     in Ländern wie Belgien, Österreich oder Rußland. Die Zeit der Niederwerfungsstrategie sei vorbei. Mit dem Massenstreik, wie
     ihn Rosa Luxemburg wolle, würden Entscheidungskämpfe provoziert, die nur Niederlagen brächten. Die Macht der Gegner müsse
     durch eine Ermattungsstrategie langfristig unterminiert werden. Deshalb käme es jetzt in erster Linie auf einen gediegenen
     Reichstagswahlkampf an. 36
    Karl Kautsky müsse enschieden Paroli geboten werden, und sie arbeite an der Erwiderung, bemerkte Rosa Luxemburg des öfteren
     in ihren Briefen vom Mai. »Ermattung oder Kampf?« – das sei die Frage und deshalb auch der Titel ihres Gegenaufsatzes. Zwischen
     beiden entwickelte sich in der Folge ein verbissener Streit. Mit spitzer Feder glossierte sie zum einen Karl Kautskys Furcht,
     der sozialdemokratische Reichstagswahlkampf könnte durch eine republikanische Agitation beeinträchtigt werden, zum anderen
     seinen »Wahn«, ein Sieg »durch den Wahlzettel« führe zu einer Krise des bestehenden Regimes, in der die Partei dann alles
     wagen könnte.
    In der Begründung ihrer Forderung konnte Rosa Luxemburg auf die Zustimmung verweisen, die sie während ihrer Tour im April
     erhalten hatte. Nur der »Vorwärts« habe von der Massenstreikdebatte in der Partei keine Notiz genommen und selbst aus dem
     Versammlungsbericht über die Kundgebung am 17. April in Frankfurt (Main) die Passage über den Massenstreik gestrichen.
    Rosa Luxemburg hielt Karl Kautsky eine einseitige Interpretation ihrer Darlegungen vor. Sie attackierte ihn mit Zitaten aus
     ihrer Schrift »Massenstreik, Partei und Gewerkschaften« und wiederholte Argumente aus ihren März-Artikeln. Es ginge ihr eben
     nicht darum, wie man ihr unterstellte, unabhängig von der konkreten Situation einen Massenstreik zu »machen«, eine Barrikadenschlacht
     zu inszenieren oder den Sozialismus plötzlich einzuführen. 37
    Der Massenstreik sollte den Parlamentarismus nicht ersetzen, sondern ergänzen und ihm stärkeren Einfluß verleihen. Es |344| sei jedoch völlig unangebracht, sich »aus Rücksicht« auf anzustrebende

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