Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
Vom Netzwerk:
die »Sozialistischen
     Monatshefte« wurde Rosa Luxemburg mit Parteiausschluß gedroht. 158
    Die bürgerliche Presse, deren Spalten mit widersprüchlichen Meldungen aus europäischen Geheimkabinetten, mit Gerüchten und
     Spekulationen angefüllt waren, frohlockte, verrieten doch Schippel, Bernstein und ähnlich »staatsmännisch« denkende Sozialdemokraten,
     daß sich in der Partei der »vaterlandslosen Gesellen« bürgerlich-parlamentarische und -pazifistische Anschauungen ausbreiteten.
     Dabei war die Marokkokrise nicht zuletzt eine unbarmherzige Satire auf die vor wenigen Monaten |385| aufgeführte Abrüstungsfarce. In der »Gleichheit« äußerte Rosa Luxemburg dazu: »Heute erhitzen sich dieselben Staatsmänner
     und dieselben Parlamente für ein kolonialpolitisches Abenteuer, das die Völker dicht an den Rand des Abgrundes eines Weltkrieges
     bringt, und der freisinnige Chor in Deutschland begeistert sich ebenso für dieses kriegsschwangere Abenteuer wie früher für
     die Friedensdeklamationen. Dieser plötzliche Szenenwechsel zeigt wieder einmal, daß Abrüstungsvorschläge und Friedenskundgebungen
     der kapitalistischen Welt nichts anderes sind und sein können als gemalte Kulissen, die zuweilen in den Kram der politischen
     Komödie passen mögen, die aber zynisch auf die Seite geschoben werden, wenn das Geschäft ernst wird. Von dieser kapitalistischen
     Gesellschaft irgendwelche Friedenstendenzen erhoffen und im Ernst auf sie bauen wäre für das Proletariat die törichteste Selbsttäuschung,
     der es anheimfallen könnte.« 159 Es sei besorgniserregend, erklärte Rosa Luxemburg, wenn einige maßgebliche Sozialdemokraten immer ausschließlicher die diplomatischen
     Händel der Regierungen nur parlamentarisch verfolgten und sich in ihrem Friedensengagement kaum von den utopischen Beteuerungen
     bürgerlicher Friedensapostel unterschieden. 160
    Wenn sie den Parteivorstand kritisierte und auf die um sich greifenden Friedensillusionen hinwies, dann nicht aus »wortradikaler
     Hysterie« oder »persönlicher Streitsucht«, wie ihr die Kritisierten nachsagten, sondern aus Sorge um die lähmende Ruhe, um
     die sich der Parteivorstand bemühte. Statt die Öffentlichkeit zu beruhigen, müsse die Arbeiterpartei die Menschen aufrütteln,
     damit sie sich gegen die Kriegsgefahr auflehnten.
    »Kleinbürgerliche oder proletarische Weltpolitik?« – so laute die Klassenfrage im Friedenskampf. 161 Falle es denn den Parlamentariern gar nicht auf, daß die herrschenden Kreise gerade in den Parlamentsferien ihr Abenteuer
     inszenieren? – fragte Rosa Luxemburg. 162 Sei das nicht ein Beweis dafür, wie die Herrschenden die Demokratie ausschalten, wenn sie auf Profitjagd und Raub gehen?
     Das Volk könne nicht über Krieg und Frieden entscheiden, solange einige kapitalistische und militaristische Cliquen in Deutschland
     64 Millionen Männer und Frauen dirigieren. 163
    |386| Der Parteivorstand rief erst am 8. August dazu auf, mit allen zu Gebote stehenden Mitteln den Frieden zu sichern. Endlich
     erschien nun auch ein Flugblatt mit der Schlagzeile »Weltpolitik, Weltkrieg und Sozialdemokratie«. Rosa Luxemburg sah sich
     zu einer Kritik geradezu genötigt, da es »mehr den Eindruck einer sozialdemokratischen Kannegießerei als einer sozialdemokratischen
     Analyse großer Probleme« machte. Der Text suche »auf Schritt und Tritt zu beweisen, daß die Welt- und Kolonialpolitik auch
     für die besitzenden Klassen gar kein Gewinn, vielmehr eine Last wäre. Die Partei kommt dadurch nicht bloß in einen bizarren
     Widerspruch mit der offenkundigen Tatsache, daß heute sämtliche besitzenden Klassen in Deutschland wie in den andern Staaten
     kolonialpatriotisch, militärfromm und nationalistisch gesinnt sind, nicht bloß in die komische Lage, die eigenen Interessen
     der bürgerlichen Klassen besser verstehen zu wollen als diese Klassen selbst, was gewöhnlich gerade umgekehrt der Fall ist.
     Die Partei übernimmt hier auch noch das Amt, die
kapitalistische
Weltpolitik und den Militarismus statt vom Standpunkt des proletarischen Klassenkampfes vielmehr im Namen einer angeblichen
     Interessenharmonie in diesem Punkte zwischen dem Proletariat und ›der Masse der besitzenden Klassen‹ zu bekämpfen!« 164 Das war der eigentliche Kern der Meinungsunterschiede zwischen ihr und den zögernden Führungskräften der deutschen Sozialdemokratie.
     Dem Flugblatt zufolge bekämpfe die Sozialdemokratie die Kolonialpolitik eigentlich nur,

Weitere Kostenlose Bücher