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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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Reformprojekte könne sich das Wesen des Kapitalismus auch in außenpolitischer Hinsicht grundsätzlich
     wandeln.
    Den von Ledebour im Reichstag und von Kautsky in der »Neuen Zeit« nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika gepriesenen
     Weg zu Frieden und Eintracht in Europa |381| bezeichnete Rosa Luxemburg als nicht realisierbar. Die Gegensätze zwischen den imperialistischen Staaten und ihren Militärbündnissen
     in Europa verschärften sich stetig, tatsächliche Rüstungsbeschränkungen seien nirgendwo in Sicht. Wer die »Vereinigte Staaten
     von Europa« fordere, ziehe aus den antimilitaristischen Kämpfen der internationalen Arbeiterbewegung und aus dem Schicksal
     pazifistischer Prophezeiungen bürgerlicher Kreise keine Lehren. 142 Clara Zetkin pflichtete ihr entschieden bei: »Den Todfeind zur Abrüstung zwingen, taugt nur ein Mittel: das zielklare trotzige
     Rüsten zum unversöhnlichen Klassenkampf. Rüsten wir!« 143

Geh Deinen Weg und laß die Leute reden
    Am 1. Juli 1911 löste die provokatorische Entsendung der deutschen Kanonenboote »Panther« und »Berlin« in die Küstengewässer
     von Agadir den zweiten Marokkokonflikt aus, in den neben Deutschland und Frankreich auch England und Spanien unmittelbar verwickelt
     waren. Im Handumdrehen traten für viele Sozialdemokraten die Forderungen nach Abrüstung und Schiedsgerichten in den Hintergrund.
     Wissend um die Zusammenhänge von Kapitalsherrschaft und imperialen Gelüsten, fragte Rosa Luxemburg: »Wird aus der neuen Gewitterwolke
     der Blitz eines mörderischen Krieges auf zwei Weltteile herniederzucken, oder wird sich das drohende Ungeheuer verziehen,
     so daß das Ende ›bloß‹ der ›friedliche‹ Schacher ist, der einige Fetzen der Welt aus einer gepanzerten Faust des europäischen
     Militarismus in eine andere überträgt?« 144
    Am 2. Juli 1911 kritisierte sie das »Marokkoabenteuer« auf einer Kundgebung im Freien vor 3 000 Jugendlichen in Berlin. »Ich
     redete kurz, aber sehr scharf, die Jungen waren sehr zufrieden.« 145 Viele Versammlungen, auf denen in ganz Preußen gegen die Ablehnung der sozialdemokratischen Wahlrechtsforderung protestiert
     wurde, votierten für die Verteidigung des Friedens. Am 4. Juli fanden allein in Berlin 31 statt.
    Am 6. Juli beschloß das Sekretariat des Internationalen Sozialistischen Büros, eine Beratung aller sozialistischen Parteien
     einzuberufen, um Aktionen gegen den Marokkokonflikt |382| anzuregen und international abzustimmen. Zwei Tage später sprach sich Hermann Molkenbuhr im Namen des Parteivorstandes der
     deutschen Sozialdemokratie in einem Brief an das Internationale Sozialistische Büro unter Hinweis auf die bevorstehenden Reichstagswahlen
     gegen Massenaktionen des internationalen Proletariats aus. 146 Die revolutionären Kräfte in der deutschen Sozialdemokratie organisierten hingegen weitere Antikriegskundgebungen. Auch August
     Bebel erklärte später, er habe der ablehnenden Haltung von Hermann Molkenbuhr zunächst nicht beigestanden. 147 Am 13. Juli unterzeichnete er ein Solidaritätstelegramm des Parteivorstandes an ein Protestmeeting französischer Sozialisten
     in Paris.
    Als der britische Schatzkanzler am 21. Juli erklärte, seine Regierung stehe in dem deutsch-französischen Konflikt auf Seiten
     Frankreichs, überschlugen sich in Deutschland die Wogen chauvinistischer Hetze gegen beide Staaten. Hinter verschlossenen
     Türen feilschten indes der französische Botschafter Jules Cambon und Staatssekretär Alfred von Kiderlen-Waechter weiter um
     koloniale Einflußsphären. Der Parteivorstand der deutschen Sozialdemokratie verhielt sich weiterhin passiv, weder erschien
     ein Flugblatt noch wurde zu Friedensaktionen aufgerufen. Rosa Luxemburg war empört. In der »Leipziger Volkszeitung« prangerte
     sie am 24. Juli die Versäumnisse des Parteivorstandes an, nachdem sie aus einem Rundschreiben Camille Huysmans vom 14. Juli
     erfahren hatte, daß August Bebel und Hermann Molkenbuhr den Vorschlag abgelehnt hatten, sofort im Rahmen des Internationalen
     Sozialistischen Büros zusammenzutreffen. Zu ihrem Artikel »Um Marokko« – einem »kleinen Pfeil, der mir wieder viel Liebe im
     Parteivorstand erworben hat«, wie sie Luise Kautsky schrieb – nahm der »Vorwärts« zwei Tage später in dem Beitrag »Die Marokko-Affäre.
     Neue Gewitterwolken« Stellung, »natürlich, ohne den Anlaß zu erwähnen«. 148 Sarkastisch berichtete sie Leo Jogiches am 27. Juli: »Heute traf

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