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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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allgemeine
     Aufmerksamkeit und gewann sie begeisterte Zustimmung, ja stellenweise geradezu schwärmerische Bewunderung derjenigen, deren
     Sache sie vertrat, sowie den bittersten Haß derjenigen, gegen die sie den Kampf aufnahm« 30 . Auch der belgische Sozialist Émile Vandervelde meinte, die den meisten unbekannte Rosa Luxemburg habe »ihre Sache mit einem
     solchen Magnetismus im Blick und mit so flammenden Worten« verfochten, daß eine Wirkung auf den Kongreß unverkennbar gewesen
     sei. 31
    Trotz aller Sympathie wurde das Mandat Rosa Luxemburgs mit Stimmenmehrheit abgelehnt. Daraufhin verlas Julian Marchlewski,
     dessen Mandat nicht annulliert wurde, weil es die Unterschriften von Arbeiterorganisationen in Polen trug, |50| den von ihr verfaßten Bericht der »Sprawa Robotnicza« über die sozialdemokratische Bewegung während der letzten vier Jahre
     in Russisch-Polen und weckte das Interesse für die SDKP als neue Erscheinung in der polnischen Parteienlandschaft.
    In den Schlußfolgerungen des Berichtes kritisierte Rosa Luxemburg blanquistische Traditionen der früheren Partei »Proletariat«
     und ökonomistische Tendenzen, die im ZRP aufgekommen waren. Sie wandte sich gegen die Unterschätzung der Arbeitermassen, vor
     allem gegen Konzepte, die auf eine Verschwörertaktik und terroristische Einzeltaten hinausliefen. Aus den Lehren des Wirkens
     der »Narodnaja Wolja« und anderer Organisationen, die deren Ideologie folgten, ergebe sich als vordringliche Aufgabe, sich
     als sozialistische Bewegung in Osteuropa auf den Boden der westeuropäischen Arbeiterbewegung zu stellen, d. h. eine marxistisch
     und international orientierte sozialdemokratische Massenpartei anzustreben. Damit hätten die Sozialisten in den polnischen
     Gebieten 1889 begonnen; inzwischen sei eine selbständige sozialdemokratische Bewegung entstanden. »Man sah endlich ein, daß
     die Rolle der sozialdemokratischen Partei darin besteht, den im Kapitalismus mit elementarer Gewalt sich entwickelnden Kampf
     des Proletariats gegen die bestehende Gesellschaftsordnung zielbewußt zu leiten, daß der Kampf auf ökonomischem Gebiet um
     die alltäglichen Interessen der arbeitenden Klassen, der Kampf um demokratische Regierungsformen die Schule ist, welche das
     Proletariat unbedingt durchmachen muß, ehe es imstande ist, die heutige Gesellschaft zu stürzen. Diesen Gesichtspunkt behielt
     die neue Organisation bei ihrer Tätigkeit beständig im Auge.« 32
    Rosa Luxemburg wies die nationalistischen Vorstellungen der PPS zurück. Es könne angesichts der Entwicklungstendenzen des
     Kapitalismus lediglich um die »organische Eingliederung« der polnischen Gebiete in das wirtschaftliche Gefüge der Staaten
     gehen, die Polen aufgeteilt hatten. Die Gründung eines kleinen unabhängigen Staates widerspräche der objektiven ökonomischen
     Entwicklung und wäre gegen den Willen der drei Teilungs- und Okkupationsmächte nicht durchzusetzen.
    Auf die verleumderischen Angriffe, denen Rosa Luxemburg |51| daraufhin durch den Vorstand der PPS ausgesetzt war, erwiderte sie am 10. September 1893: »1. Wir stehen voll und ganz auf
     dem Boden der internationalen Sozialdemokratie. Um dies zu konstatieren genügt es, unseren dem Züricher Kongreß unterbreiteten
     Bericht oder eine Nummer unserer Zeitung zur Hand zu nehmen. Übrigens hat der ›Vorwärts‹ davon in seiner Nummer vom 8. August
     bereits Notiz genommen.
    2. Was unser politisches Programm betrifft, so erachten wir Hand in Hand mit dem russischen Proletariat den Sturz des Zarentums
     und die Erkämpfung einer demokratischen Verfassung als unsere nächste und wichtigste politische Aufgabe und als die dringendste
     Notwendigkeit im Interesse des polnischen und des internationalen Proletariats. Der Verstärkung und Leitung des politischen
     Kampfes in Russisch-Polen in dieser Richtung haben wir gerade unsere Zeitung hauptsächlich gewidmet.« 33
    Dieser Bericht der »Sprawa Robotnicza« weckte auf dem Kongreß das Interesse für die SDKP. Alle Exemplare waren vergriffen.
     Viele Delegierte aus anderen Ländern wandten sich an Julian Marchlewski und Rosa Luxemburg, um weitere Informationen zu erhalten.
     »Die deutschen Genossen aus schlesischen Gebieten fragten, ob unsere Zeitung ihnen nicht bei der Agitation unter der polnischen
     Arbeiterbevölkerung behilflich sein könne, da sie an einem schrecklichen Mangel an Agitationsmaterial litten.« 34 Die »Sprawa Robotnicza« werde die Ehre haben, »die

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