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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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Boris Kritschewski mit ihren Töchtern, eine aufgeschlossene
     und gebildete russische Familie, mit der sie seit 1891 im Briefwechsel stand und der sie unverblümt ihre Empfindungen und
     Entdeckungen mitteilte. Sie verkehrte mit Adolf Warski und seiner Frau Jadwiga, dessen Bruder Morek und weiteren Polen. Bei
     Warskis aß sie und fühlte sie sich wohl. Außerdem konnte sie berichten: »Die Wojnarowska habe ich gestern kennengelernt, sie
     kam zu den Adolfs. Sie ist sehr hübsch, herzlich und intelligent. Das übrige werden wir sehen. Jedenfalls nutze ich ihre Nachbarschaft
     dazu aus, daß ich Bekanntschaften mit Franzosen schließe, da Guesde leider nicht da ist. […] Wir haben auch vor, alle zusammen
     Lawrow zu besuchen.« |54| 41 Die 1858 geborene Cezaryna Wojnarowska, seit den 70er Jahren in der revolutionären Bewegung in Rußland und Polen tätig, war
     öfter verhaftet gewesen, lebte seit 1883 in der Emigration und wurde 1893 Mitglied der SDKP. Sie besorgte Rosa Luxemburg 1895
     ein Zimmer in dem Haus, in dem sie wohnte. Es lag in der Nähe von Warskis Wohnung, aber dafür weit von der Druckerei und der
     Nationalbibliothek entfernt. Doch bestimmte Nachteile mußten aus Kostengründen ertragen werden.
    Einige in Paris lebende Mitglieder der PPS und des Auslandsverbandes Polnischer Sozialisten erwähnte sie gelegentlich namentlich,
     alles ohnmächtige Patrioten, wie sie meinte, ein »Hornissennest« 42 , in das sie mit Vorträgen hineinstechen wolle. Kaum hatte sie solche Urteile und Vorsätze geäußert, bedrückten sie die Konsequenzen
     derart, daß sie am liebsten zu Leo Jogiches zurückgekehrt wäre, mit dem die Zusammenarbeit für die Partei zwischen Paris und
     Zürich bestens klappte. »Ich habe noch nichts vorbereitet«, schrieb sie ihm. »Bisher beschäftigt mich noch die ›Sprawa‹ ständig,
     den ganzen Tag, die Fahrten zu Reiff, das Abschicken. Abends aber spreche ich mit Adolf. Es scheint, daß wir uns einig werden.
     Und der Vortrag muß an einem Sonntag sein […]. Und jetzt soll ich schon wieder einen Aufruf schreiben und drucken. Wann soll
     ich mich denn auf den Vortrag vorbereiten? Ich werde wohl eine Ewigkeit hier sitzen. Oj, mein liebstes Gold, ich möchte schon
     so schnell wie möglich aufhören, eine ›erwachsene‹, ›verantwortliche‹ Person zu sein (um so mehr, als es mir damit nicht gut
     geht), und zu Dir zurückkehren, in Deine Arme, damit mich alles völlig unberührt läßt, ich mich nicht ewig fürchte, daß in
     einer Stunde ein Telegramm alles zunichte machen kann, was ich schaffe.« 43
    Rosa Luxemburg hielt sich noch keine drei Wochen in Paris auf, als sie von dieser Trübsal erfaßt wurde. Vier Tage zuvor hatte
     sie schon einmal in einem ellenlangen Brief ihr Herz ausgeschüttet und Leo Jogiches mit Vorwürfen überhäuft: Wie wenig lasse
     er sie seine Liebe spüren, er schreibe immer nur, was sie tun, anders oder besser machen soll: »Mach es mit Adolf so und so,
     benimm Dich, wenn Du Lawrow besuchst, so oder so, halte Dich an dies und an das – nimmt man das alles |55| zusammen, so gibt das einen einzigen unauslöschlichen Eindruck von Mißbehagen, Ermattung, Erschöpfung und Unrast, der mich
     in Augenblicken befällt, wo ich Zeit habe, daran zu denken.« 44 Sie müsse nun einmal alles sagen, was sie empfinde. Gerade nahestehenden Menschen schreibe man über Kleinigkeiten. Er aber
     käme ihr in dieser Hinsicht überhaupt nicht entgegen. Das störe sie sehr. »Es regt mich auf, sobald ich irgendeinen Brief
     von anderen oder von Dir in die Hand nehme – überall das gleiche –, es ist die Nummer, es ist die Broschüre, da ist dieser
     Artikel, da ist jener. Das wäre alles gut, wenn wenigstens neben dem da, außer dem da ein wenig der Mensch, die Seele, das
     Individuum zu sehen wäre. Und bei Dir gibt es nichts, nichts außer dem da. Hast Du in dieser Zeit keine Eindrücke empfangen,
     keine Gedanken gehabt, hast Du nichts gelesen, nichts wahrgenommen, was Du mir mitteilen könntest.?! Vielleicht möchtest Du
     mir die gleichen Fragen stellen? Oh, ich habe, ganz im Gegenteil, trotz der ›Sprawa‹ auf Schritt und Tritt eine Menge Eindrücke
     und Gedanken – nur habe ich niemand, mit dem ich sie teilen könnte! Mit Dir? Oh, ich schätze mich zu hoch ein, um das zu tun.« 45 Leo irre sich, wenn er meine, sie putschten einander auf. Ihr einziges Glück sei das Wiedersehen mit ihm, sie wisse vor Sehnsucht
     nicht, was sie machen solle. 46 Der Geliebte

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