Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.
Reichstagsfraktion auf ihren Sitzungen vom 2. und 4. Februar Karl Liebknechts »Nein« gegen
die Kriegskredite am 2. Dezember 1914 verurteilt und daß Carl Legien gefordert hatte, Karl Liebknecht aus der Fraktion auszuschließen.
Dieser unglaubliche Antrag war zwar zurückgezogen worden, doch versuchte man inzwischen behördlicherseits, Rosa Luxemburgs
wichtigsten Partner im Antikriegskampf mundtot zu machen. Am 7. Februar 1915 wurde Karl Liebknecht durch militärischen Gestellungsbefehl
als Armierungssoldat zum Landsturm eingezogen und ihm jede außerparlamentarische politische Tätigkeit verboten. Erfahren und
kühn, wie er war, nutzte er die Teilnahme an den Parlamentssitzungen weitestgehend aus und entwickelte sich zur international
geachteten Integrationsfigur der deutschen Linken.
In Berlin herrsche ein wahrer Heißhunger auf ein sozialdemokratisches Wort im alten Sinne, stellte Rosa Luxemburg fest, als
sie 1915 Alexander Winkler für seine finanzielle Unterstützung der geplanten Zeitschrift dankte. Sie schilderte ihm ihre Eindrücke
von der Charlottenburger Versammlung, auf der Fritz Zubeil, der Abgeordnete des Kreises, versucht hatte, die Haltung der Fraktion
zu rechtfertigen. »In der Diskussion zeigte sich, daß vielleicht dreißig anwesende Gewerkschaftsbeamte auf seiten der Fraktion
stehen, die ganze große Versammlung dagegen in stürmischer Opposition. Und das erleben wir in jeder Versammlung bisher. Die
emsige Arbeit der Rechten, die vielen Broschüren und Artikel der Heine, Scheidemann etc. haben offenbar nur die entgegengesetzte
Wirkung: Den Massen werden die Augen geöffnet, sie sehen, welche Gefahren der Parteibewegung drohen. Ohne sehr stürmische
Kämpfe wird es natürlich nicht abgehen, aber ich hoffe, die alte Tradition wird sich doch stärker erweisen als der ›neue Kurs‹.« 15
|487| Rosa Luxemburg nahm gelassen in Kauf, daß sie bespitzelt und denunziert wurde. Am 9. März enthüllte Karl Liebknecht vor dem
preußischen Abgeordnetenhaus das Zusammenspiel von Geheimpolizei, Justiz und Militärdiktatur. »Am 10. Februar hat Frau Luxemburg
in Charlottenburg in einer geschlossenen Mitgliederversammlung gesprochen. Schon am 13. Februar war daraufhin in Frankfurt
am Main die Verfügung erlassen, sie nunmehr in Haft zu bringen. Es war also im Verlaufe von drei Tagen oder vielmehr von zwei
Tagen […] von dem Spitzel, der in der Versammlung gewesen sein muß und für den Sie jetzt den Etat bewilligen werden, die Nachricht
an das Polizeipräsidium, von diesem an das Oberkommando und vom Oberkommando nach Frankfurt am Main gegeben und von dort die
Verfügung getroffen worden.« 16
Am 14. Februar habe Rosa Luxemburg schon wieder aufreizend auf der Kreiskonferenz von Niederbarnim gesprochen, vermeldete
das Oberkommando in den Marken an den stellvertretenden Kommissar des 18. Armeekorps in Frankfurt (Main). Ein Strafaufschub
wegen Krankheit dürfte somit doch keineswegs mehr gerechtfertigt sein und sollte aufgehoben werden. 17 Als offizieller Vorwand diente den Militärbehörden, daß Paul Levi für Rosa Luxemburg eine Auslandsreise beantragt hatte,
weil sie sich vor Haftantritt zwei bis drei Wochen bei Henriette Roland Holst etwas erholen wollte. Otto Braun, Mitglied des
Parteivorstandes der deutschen Sozialdemokratie, notierte im Tagebuch am 20. Februar gehässig: »Heute erzählte Haase, wie
es zur Verhaftung Rosa’s gekommen sei. Danach liegt noch eine viel größere polnisch-galizische Frechheit vor, als ich annahm.
Die superkluge Genossin ist nämlich zur Polizei gegangen und hat ersucht, ihr einen Paß nach Holland auszustellen, sie wolle
dort eine Freundin besuchen. Da hat man ihr denn gesagt, sie habe doch noch ein Jahr Gefängnis zu verbüßen […]. Wenn sie nunmehr
nach Holland reisen wolle, sei sie wohl auch haftfähig. Dann hat man sich an den Frankfurter Staatsanwalt gewandt, der sofort
einen Haftbefehl erlassen hat.« 18
Rosa Luxemburg hatte sich ganz korrekt verhalten. Am 18. Februar 1915 wurde sie dennoch rechtswidrig inhaftiert: ohne vorherige
Ankündigung und unter Mißachtung der |488| Würde einer »politisch Straftätigen«. Sie war über die »plötzliche ›Ausschaltung‹ wie mitten im Telephongespräch« ziemlich
bestürzt und – lachte. 19 Bereits am 19. Februar meldete die »Deutsche Tageszeitung« ihren Haftantritt. Karl Liebknecht informierte unter der Überschrift
»Von den Quertreibern« die
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