Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.
unterbrochen waren und er seine Arbeit für die SDKPiL kaum noch fortsetzen
konnte. An der illegalen Organisierung der Linken zu einer Gruppierung innerhalb der deutschen Sozialdemokratie hatte er großen
Anteil, ohne jedoch selbst in den Vordergrund zu treten. Rosa Luxemburg informierte Jogiches über alle Ereignisse in der deutschen
Partei und betrachtete ihn bald als persönlichen Vertreter. 5
Am 24. Januar wurde sie aus dem Krankenhaus entlassen und nahm trotz weiterer Beschwerden die Arbeit wieder auf. Das Wichtigste
war jetzt für sie, gemeinsam mit Leo Jogiches und Franz Mehring so rasch wie möglich die neue Zeitschrift herauszubringen.
Peter Berten, ein junger Sozialdemokrat aus Düsseldorf, der der Polizei und anderen Behörden noch wenig bekannt war, konnte
von ihnen als Verantwortlicher gewonnen werden. Für die erste Ausgabe bat Rosa Luxemburg Friedrich Westmeyer um einen speziellen
Beitrag über die sogenannte Unterstützungsaktion für Kriegerfamilien, Arbeitslose und Wöchnerinnen. »Kritik des ganzen Schwindels
ist die Hauptsache. Und dann – Eile!« 6
Sie selbst konzentrierte sich auf den Artikel »Der Wiederaufbau der Internationale«, den sie in ihrem Briefwechsel mit Carl
Moor, P. J. Troelstra und Camille Huysmans während der letzten Monate und in ihrem Brief an »Labour Leader« vom Dezember 1914
gedanklich schon vorbereitet hatte.
|483| Es fiel ihr gewiß schwer, festzustellen, daß am 4. August 1914 die deutsche Sozialdemokratie politisch abgedankt und die sozialistische
Internationale zusammengebrochen war. Schließlich war sie in ihren Reihen seit vielen Jahren aktiv tätig gewesen und hatte
sich als kritische Theoretikerin, streitbare Journalistin und versierte Rhetorikerin engagiert. »Noch nie, seit es eine Geschichte
der Klassenkämpfe, seit es politische Parteien gibt«, schrieb sie nun, »hat es eine Partei gegeben, die in dieser Weise, nach
fünfzigjährigem unaufhörlichem Wachstum, nachdem sie sich eine Machtstellung ersten Ranges erobert, nachdem sie Millionen
um sich geschart hatte, sich binnen vierundzwanzig Stunden so gänzlich als politischer Faktor in blauen Dunst aufgelöst hätte
wie die deutsche Sozialdemokratie. An ihr, gerade weil sie der bestorganisierte, bestdisziplinierte, geschulteste Vortrupp
der Internationale war, läßt sich der heutige Zusammenbruch des Sozialismus am klassischsten nachweisen.« 7 Eine detaillierte Beweisführung behielt sie sich für eine spezielle Studie vor. In dem Artikel kam es ihr erst einmal darauf
an, gegen die Kriegskreditbewilliger und »Burgfriedens«-Politiker Position zu beziehen und eine intensivere Auseinandersetzung
mit ihnen zu entfachen. Denn mit der Zustimmung zu den Kriegskrediten sei die deutsche Sozialdemokratie zum »Schildknappen
des Imperialismus im gegenwärtigen Kriege« 8 geworden. Die Partei- und Fraktionsvorstände erstickten von vornherein jeden Zweifel und jede Kritik mit dem Hinweis, jetzt
seien Reden, Broschüren und Artikel »von echtestem deutsch-nationalem Patriotismus« 9 gefordert, die es prompt hagelte. Die Internationale, so die Kapitulanten, habe nur die Frage der Verhütung des Krieges ventiliert,
im Krieg müßten andere Verhaltensmaßregeln gelten, da müsse jede Nation ihr Dasein behaupten. Im übrigen habe Karl Kautsky
schon seit Jahren »die Theorie zur willfährigen Magd der offiziellen Praxis der ›Parteiinstanzen‹ degradiert« und dadurch
zum »Zusammenbruch der Partei redlich beigetragen« 10 . Verglichen mit den Diensten, die die deutsche Sozialdemokratie und die deutschen Gewerkschaften dem vaterländischen Imperialismus
leisteten, seien die französischen Sozialisten, die Ministerposten angenommen haben und »das ungewohnte Handwerk des Nationalismus
und der Unterstützung der Kriegführung ausüben«, |484| Stümper. Heraus käme letztlich: »Proletarier aller Länder, vereinigt Euch im Frieden, und schneidet Euch die Gurgel ab im
Kriege!« 11 Vorherrschend seien momentan zwei Richtungen: zum einen die Politik von »Scheidemann und Konsorten«, die auf Durchhalten
bis zum Sieg setze, und zum anderen die Versuche von Kautsky und Haase, die baldige Beendigung des Krieges an fromme Wünsche
bzw. schlau ersonnene Rezepte für Friedensgarantien zu knüpfen.
Nach Meinung Rosa Luxemburgs konnte nur eine Mobilisierung der Massen den Frieden garantieren. Die Initiative dafür müsse
von den sozialistischen Parteien der
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