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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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der Zelle 219 im Königlichen Frauengefängnis in Berlin, Barnimstraße
     10. Eine an der Wand befestigte Pritsche war ihre Schlafstatt. Durch den Spalt einer Luftklappe konnte sie glücklicherweise
     ein Stück Himmel sehen. Ihren Magenbeschwerden verdankte sie die Erlaubnis, sich selbst zu beköstigen. Die monatlich dafür
     zu zahlenden 60 Mark übernahm der Parteivorstand. Sie erhielt unter anderem täglich sieben Schrippen. Die Küchenbeamtin Elsbeth
     Stein sorgte aufmerksam für Rosa Luxemburg, zumal diese gut mit ihr auskam. Pro Hafttag hatte Rosa Luxemburg eine Mark zu
     entrichten. Mit weiteren Kosten mußte sie laut einer Rechnung insgesamt 474,80 Mark bezahlen. Für einen Zuschuß zur Wohnungsmiete
     in Südende und zu sonstigen Verpflichtungen sorgte, wie Mathilde Jacob schrieb, ein wohlhabender Parteifreund, vermutlich
     der schon erwähnte Alexander Winkler. 24 Auch Leo Jogiches beglich für Rosa Luxemburg manche Rechnung. Hans Diefenbach und andere Freunde ließen Rosa Luxemburg ebenfalls
     finanzielle Hilfe zuteil werden. Mit ihrer Bemerkung »Aber ich arme Kirchenmaus lebe ja selbst nur von Wohltaten anderer hier« 25 unterstrich sie, was die Behörden über ihre Finanzlage 1914 feststellten: Sie habe keine anderen Einkünfte außer denen an
     der Parteischule Die Schule war jedoch seit Kriegsbeginn geschlossen.
    Jeden Monat durfte sie einmal Besuch empfangen. Die Maßregel, nur einmal im Monat Briefe schreiben und erhalten zu können,
     nahm die Gefängnisdirektorin nicht so genau. Da ihre gesamte Post zensiert wurde, mußten viele Mitteilungen verschlüsselt
     werden. Personen mit Anfangsbuchstaben zu bezeichnen war untersagt. Leo Jogiches wurde von ihr meist als »Onkel Leo« oder
     »Mimis Vormund« bezeichnet.
    Eigentlich durfte sie keine Blumen entgegennehmen. Da das Leben ohne Blumen für sie leer und trüb war, hielten sich ihre Freunde,
     vor allem Mathilde Jacob, Kostja und Clara Zetkin, nicht daran. Als sie am 5. März zu ihrem Geburtstag viele Briefe und Buketts
     bekam, war das »Reglement« endgültig |491| durchbrochen. Mathilde Jacob durfte Rosa Luxemburg wöchentlich einmal mit den nötigsten Medikamenten, Toilettenartikeln, frischer
     Wäsche und Kleidung versorgen. »Mein liebes Fräulein Jacob!«, schrieb ihr Rosa Luxemburg am 29. Mai 1915. »Herzlichen Dank
     für die herrlichen Rosen und [den] Tannenzweig sowie alles andere. Aber, aber: Ich darf nicht so oft Blumen kriegen und nicht
     so häufig lange Briefe. Sie werden ahnen, daß es nicht mein Herz ist, das mir diese Zeilen diktiert, sondern – das Reglement.
     Wir müssen uns einschränken, es hilft nichts.« 26 Da Rosa Luxemburg weiterhin unter Magenbeschwerden litt, verlangte sie für ihre Kuren ständig nach neuen Ölflaschen und anderen
     Heilmitteln. Mathilde Jacob sorgte dafür ebenso wie für die terminliche und inhaltliche Absprache der Besuche; die Reihenfolge
     wurde nach der politischen Dringlichkeit festgelegt.
    Gleich nach der Inhaftierung und immer, wenn er während der Parlamentssitzungen in Berlin sein durfte, ertrotzte sich Karl
     Liebknecht Zutritt zu Rosa Luxemburg. Er gab sich als einer ihrer Rechtsanwälte aus, versorgte sie mit Zeitungen und wichtigen
     Nachrichten, übermittelte Wünsche und schmuggelte Schriftstücke aus der Zelle. Rosa Luxemburg entging nicht, daß er zunehmend
     verhärmt und gehetzt aussah. Sie nahm auch die Sorgen wahr, die sich seine 13 Jahre jüngere Frau Sophie um ihn an der Front
     machte.
    Franz und Eva Mehring dachten ebenfalls rührend an Rosa Luxemburgs Wohlergehen. Franz Mehring hatte mit ihr wegen der Zeitschrift
     »Die Internationale« viel zu besprechen. Die erste Nummer erschien am 15. April 1915, wurde aber sofort verboten. Dank guter
     Organisation konnten dennoch 5 000 Exemplare verkauft werden. Bereits im Mai leitete das Düsseldorfer Landgericht gegen Peter
     Berten, Rosa Luxemburg, Franz Mehring und Clara Zetkin ein Strafverfahren ein, in dem es jedoch wegen Erkrankungen und anderweitigen
     Verhaftungen der Hauptangeklagten während der Kriegsjahre nicht zur Verhandlung kommen konnte.
    Clara Zetkin reiste sofort nach Berlin, als sie von Rosa Luxemburgs Verhaftung erfuhr. »Sie ordnete die in Rosa Luxemburgs
     Wohnung zurückgebliebenen Schriftstücke und erlistete sich Zutritt zu ihr«, da sie sich als Schwägerin der Gefangenen |492| ausgab. »Eine der Beamtinnen erkannte Clara Zetkin und teilte der Gefängnisvorsteherin nach dem Besuch mit, wer die

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