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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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unartikulierten Gänseschrei höre, da zuckt in mir alles vor Sehnsucht nach – was weiß ich, nach was, einfach nach
     der Ferne, nach der Welt. Himmelkreuzhageldonnerwetter! Wenn ich so weit, weit weg fliegen könnte wie eine Wildgans!« 60
    Sie möge bitte nicht spotten über ihr »Glück im Winkel«, beschwor sie Luise Kautsky. Sie müsse »doch jemanden haben, der mir
     glaubt, daß ich nur aus Versehen im Strudel der Weltgeschichte herumkreisle, eigentlich aber zum Gänsehüten geboren bin« 61 . Sie beide wollten doch nie Engel sein, da sie über alles so viel plappern und lachen konnten. Luise möge ihre goldene Laune
     behalten und sich vor Nervenflattern hüten. Gleichmut könne man durchaus trainieren.
    Humor sei das Unentbehrlichste und Klügste im Leben, noch dazu im Gefangenendasein, wie es nun auch Clara Zetkin vom 29. Juli
     bis 10. Oktober 1915 fristen mußte. Sie saß in Karlruhe in Untersuchungshaft, weil sie sich an der Internationalen Frauenkonferenz
     in Bern im März 1915 und an der Verbreitung des Manifests dieser Konferenz in Deutschland beteiligt hatte. Rosa Luxemburg
     sprach ihr Mut zu und scherzte |508| gleich weiter: »Merkst Du aber, was wir beide heuer für negativen Genuß haben: kein Parteitag! Gelobt sei Mars für diese seine
     einzige vernünftige Wirkung.« 62

So wären wir d’accord!
    Im Herbst 1915 erreichte Rosa Luxemburg die Nachricht, daß die Internationale Sozialistische Kommission, die auf der ersten
     Zimmerwalder Konferenz im September 1915 gewählt worden war, alle ihr angeschlossenen Organisationen aufgefordert hatte, an
     der weiteren Ausarbeitung von Grundsätzen der internationalen Zusammenarbeit mitzuwirken. Sie bedauerte, nicht rechtzeitig
     über die Konferenz unterrichtet worden zu sein. 63
    Durch ihre Arbeiten »Der Wiederaufbau der Internationale« und »Die Krise der Sozialdemokratie« besaß sie jedoch eine solide
     Grundlage für Vorschläge. Sie schickte »Leitsätze über die Aufgaben der internationalen Sozialdemokratie« ein, die sie im
     Zusammenhang mit der Junius-Broschüre verfaßt hatte. Unter »Wiedergeburt der Internationale« verstand sie nicht mehr wie noch
     in ihrem Aufsatz »Der Wiederaufbau der Internationale« die Regenerierung der alten Organisation. Eine neue Internationale
     müsse sich dadurch auszeichnen, daß sie den revolutionären Klassenkampf gegen den Imperialismus in allen Ländern leite. Die
     Grundlagen einer neuen Internationale faßte sie in folgenden Punkten zusammen: Klassenkampf gegen die herrschenden Klassen
     im Innern und internationale Solidarität der Proletarier aller Länder als zwei einander bedingende Grundsätze der Arbeiterklasse
     in ihrem welthistorischen Befreiungskampf; Hauptziel müsse im Frieden wie im Krieg die Bekämpfung des Imperialismus und die
     Verhinderung der Kriege sein; die Internationale bilde den Schwerpunkt der Klassenorganisation, sie entscheide über die Taktik;
     die Pflicht zur Ausführung der Beschlüsse der Internationale ginge allen anderen Organisationspflichten voran; das Hauptaugenmerk
     der nationalen Sektionen müsse sich darauf richten, die breiten Massen zur Aktionsfähigkeit zu erziehen; die nächste Aufgabe
     sei die geistige Befreiung des Proletariats |509| von der Vormundschaft der Bourgeoisie, die sich im Einfluß der nationalistischen Ideologie äußere. 64 Die neue Internationale dürfe kein Schaugepränge sein mit prunkvollen Kongressen, schönen Reden und dröhnenden Manifesten
     und kein nur loser föderativer Zusammenschluß der in ihrer Taktik völlig unabhängigen Parteien. 65
    Rosa Luxemburg kam es auf die Konzentration der Macht des internationalen Proletariats im Geiste des wissenschaftlichen Sozialismus
     an. Klarheit und Reinheit des internationalistischen Geistes und kühne Aktionen der Massen waren für sie das entscheidende.
     Über die Ausgestaltung der neuen Internationale als Organisation äußerte sich Rosa Luxemburg nicht. In einem Brief an Clara
     Zetkin kritisierte sie am 18. Oktober 1915 »die überschwenglich lobpreisende Beleuchtung des Zimmerwalder Rummels« in der
     »Gleichheit«. »Diese zerquetschte Schwergeburt, die, wie die Franzosen sagen, n’a ni tête ni queue [weder Kopf noch Schwanz]
     hat (namentlich keinen Kopf!) und die unter der Ägide des großen Ledebour in die Welt tritt, mit der Versicherung, niemandem
     weh tun zu wollen – sie konnte uns wirklich gestohlen bleiben.« 66 Berta Thalheimer berichtete am 4. November 1915 an

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