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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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holt! muß ich alle Augenblicke ausrufen. Er verleidet einem ja völlig das Alleinsein mit
     Lassalle. Wie konnten Sie so eine Leichenschändung dulden? Warum haben Sie nicht dagegen geflucht und gewettert? Ach, wir
     haben viel zu vieles ruhig hingenommen. Frau Eva hat schon recht: Wir waren viel zu milde. Aber ich schwöre, ich will mich
     bessern. Ich fühle mich schon ganz wie ein Stachelschwein und brenne darauf, mang die Filister zu laufen.« 51 Mehrings »Lessing-Legende« empfahl Rosa Luxemburg häufig ihren Freunden, weil aus ihr Kraft zur Selbstbehauptung und Zuversicht
     erwachse. Die ersten Druckbogen seiner Marx-Biographie, für die auch sie einen Abschnitt schrieb, überzeugten sie davon, daß
     ein großartiges Werk im Entstehen war.
    |504| Mit Kostja Zetkin verständigte sie sich über die Geschichte des Bauernkriegs von Engels und von Zimmermann. Sie berichtete
     ihm auch, wie magisch die in der Geologischen Geschichte Deutschlands beschriebene Urzeit auf sie wirkte. Wie früher erzählte
     sie in Briefen, welche Autoren der Weltliteratur sie las: Von Goethe trennte sie sich überhaupt nicht; zu Charles de Costers
     »Tyll Ulenspiegel« griff sie immer wieder; Hölderlin versuchte sie erst kennenzulernen, während sie von Ricarda Huch bereits
     alles gelesen hatte und sich auch in Mörikes Werken auskannte. Schlechte Übersetzungen der »Anna Karenina« ließen sie fluchen,
     Anatole France, Boileau-Despréaux und Cervantes verschlang sie usw. usf. »Mir kam in den Sinn«, schrieb sie, »wie wir sogleich
     ungeduldig und wehleidig werden, wenn uns einige Zeit Gefängnis oder Kaserne und allerlei Mißliches trifft, aber Cervantes
     hat z. B. so lange Jahre in richtiger Sklaverei ausgehalten. Früher konnten die Menschen überhaupt mehr vertragen, ich meine
     als Individuen, auf eigene Faust, nicht als Massen›helden‹ aus Kadavergehorsam. Ich weiß nicht, wer mich neulich auf den Cervantes
     gebracht hat, ich las irgendwo eine grenzenlose Bewunderung für den ›Don Quijote‹. Vielleicht war’s Goethe?« 52
    Sich Luxusgaben spenden, nannte es Rosa Luxemburg, wenn sie sich vom Einerlei des Gefängnisalltags ablenkte oder vom »trockensten
     Zeug« irgendwelcher Ausarbeitungen losriß und in Turners Landschaftsaquarelle vertiefte. Die frühere Haushälterin, Gertrud
     Zlottko, die lieber malte und botanisierte als putzte, schickte Rosa Luxemburg ganze Kollektionen ihrer Malerei. Als Dank
     erhielt sie sachkundige Wertungen, die sie auf keinen Fall als »Veräppeln« auffassen möge. Am 25. Mai bekam sie sogar 10 Mark
     zur Belohnung zugeschickt, weil sie die Katze Mimi in Rosa Luxemburgs Wohnzimmer gezeichnet hatte. Das Lob der freudig überraschten
     Rosa Luxemburg fiel nicht ganz einhellig aus: Dieser Versuch sei ihr ausgezeichnet gelungen, wenn auch die Tiefe des Raumes
     dem Innern der Petrikirche in Rom entspreche. 53 Der Gefängniskater, mit dem sie sich längst angefreundet hatte, konnte ihre Mimi nicht ersetzen.
    Rosa Luxemburg behauptete, und in ihren Briefen bewies sie das überzeugend, lebenslang Farbe, Duft und Ton liebgewonnener |505| Erlebnisse und Dinge im Gedächtnis zu behalten und sich von Zeit zu Zeit daran zu erfreuen. 54
    Im August 1915 bezeichnete sie es als ihre »schändliche Schwächen«, sich zu »verträumen oder aus dem Joch der Pflicht vor
     Ungeduld Reißaus zu nehmen« 55 . Zu ihren großen Stärken gehörte, sich mit unstillbarem Kunstgenuß, mit Schreiben oder Malen, Pflanzen-, Tier- und Gesteinskunde
     gegen Mißlichkeiten zu wappnen. Sie schöpfte aus diesem Reichtum der Welt die Kraft, anderen Zuspruch zu geben, und regte
     sie an, es ihr gleichzutun.
    Zum Beispiel weckte sie bei Mathilde Jacob und Gertrud Zlottko Lust für das Botanisieren. Beide erfüllten Rosa Luxemburgs
     Wünsche nach Blüten und Blättern, die in ihren Herbarien fehlten. Alle Mappen aus dem Jahre 1913, als ihre Leidenschaft für
     Herbarien das erste Mal entfacht war, hatte sie im Gefängnis bei sich. Am 12. April 1915 begann sie das »Heft XI – Barnimstraße
     10, Zelle Nr. 219«. Da es bereits am 15. Mai mit den verschiedensten Pflanzen, Blättern und Blumen aus Sträußen oder der Gefängnisgärtnerei
     gefüllt war, legte Rosa Luxemburg zwei weitere Hefte an. Das erste Blümchen war ein Schneeglöckchen von Kostja Zetkin, den
     sie auch um Seidelbast und die Scilla, eine Sternhyazinthe, bat. Am Pfingstfest entdeckte sie im Gefängnishof ein Hundsveilchen.
     Sie pflückte und preßte es

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