Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.
Robert Grimm in die Schweiz: »Die Rosa soll in ihrer Zelle wie ein Löwe
toben, daß sie den Led[ebour], Haase und Konsorten nicht den Kopf waschen kann.« 67
Lenin versuchte mit der Losung von der Umwandlung des imperialistischen Krieges in einen Bürgerkrieg gegen die eigene Bourgeoisie
in jedem Lande seine Ansichten von den Aufgaben der organisierten internationalen Arbeiterbewegung durchzusetzen, stieß jedoch
auf Unverständnis und erhielt keine Mehrheit. Mit dem Manifest des ZK der SDAPR »Der Krieg und die russische Sozialdemokratie«,
das er am 1. November 1914 in der Schweiz in der bolschewistischen Zeitung »Sozial-Demokrat« veröffentlicht und bald darauf
an deutsche, englische und französische Zeitungen geschickt hatte, versuchte er seine Ansichten publik zu machen. Als Voraussetzungen
für einen Bürgerkrieg gegen die Bourgeoisie des eigenen Landes betrachteten Lenin und die Bolschewiki: »1. unbedingte Ablehnung
der Kriegskredite und Austritt aus den bürgerlichen Kabinetten; 2. völliger Bruch mit der Politik des ›nationalen Friedens‹
(bloc |510| national, Burgfrieden); 3. Bildung illegaler Organisationen überall dort, wo Regierung und Bourgeoisie unter Verhängung des
Belagerungszustandes die verfassungsmäßigen Freiheiten aufgeben; 4. Unterstützung der Verbrüderung der Soldaten der kriegführenden
Nationen in den Schützengräben und auf den Kriegsschauplätzen überhaupt; 5. Unterstützung aller revolutionären Massenaktionen
des Proletariats überhaupt.« 68 In keinem Land dürfe der Kampf gegen die eigene Regierung vor der Möglichkeit haltmachen, daß dieses Land infolge der revolutionären
Agitation eine Niederlage erleide. 69
In der Forderung nach Ablehnung der Kriegskredite, nach Bruch des Burgfriedens und in der Orientierung auf Massenaktionen
stimmte Rosa Luxemburg weitgehend mit Lenin überein. Über die Schaffung einer illegalen Organisation, die parteipolitische
und -strukturelle Abspaltung vom Opportunismus und die Losung von der Umwandlung des imperialistischen Krieges in einen Bürgerkrieg
dagegen gingen ihre Auffassungen weit auseinander.
Daß die Internationale zusammengebrochen war, gaben auch viele Sozialdemokraten zu, die mit den Linken nichts zu tun haben
wollten. Wilhelm Kolb und Wolfgang Heine sahen aber z. B. die Ursache des Zusammenbruchs in »revolutionären Überlieferungen«,
im »Geist der revolutionären Phantastereien«, von denen man sich trennen müsse, wenn die Internationale wieder aufgerichtet
werden sollte. 70 Kautsky, Renaudel, Vandervelde und andere vertraten die Meinung, die Internationale habe vorübergehend ihr Wirken eingestellt,
bestehe aber weiter. Als »Friedensinstrument« werde sie nach dem Kriege ihre Tätigkeit fortsetzen, behauptete Kautsky. 71 Anfang 1915 hatte er in einem Brief erklärt: Er habe als Redakteur wie als Mitarbeiter der »Neuen Zeit« stets die Internationale
vor Augen, die Leser aber dächten bei seinen Ausführungen immer nur an deutsche Verhältnisse und glaubten, er meine Scheidemann,
obgleich er zeigen wolle, daß Vaillant und Hyndman oder Guesde und Vandervelde nicht aufgehört hätten, Sozialisten zu sein.
Man verwechsle, meinte Kautsky, »in der Kriegsfrage in der Regel zwei Fragen. 1. Welche Haltung ist die
rich
tige
,
und 2. Welche Haltung ist mit unseren
Grundsätzen vereinbar.
Richtig kann selbstverständlich nur
eine
Auffassung |511| sein, mit unseren Grundsätzen vereinbar aber mehrere. […] Jeder handelt sozialistisch, der sein Handeln im Kriege abhängig
macht von der Beantwortung der Frage: Was ist erheischt im Interesse des gesamten, internationalen Proletariats.« 72 Er könne es ebensowenig als unsozialistisch, Parteiverrat oder Preisgabe von internationalen Grundsätzen bewerten, wenn deutsche
Genossen der Meinung sind, das internationale proletarische Interesse erheische die Niederwerfung des Zarismus.
Im Gegensatz zu Kautsky, David, Heine, Kolb und Scheidemann, die ihr Verhalten im Krieg und den Zusammenbruch der Internationale
zu rechtfertigen suchten, bezeichnete Rosa Luxemburg die Ausbreitung von Opportunismus und Nationalismus als Ursache für die
Preisgabe des revolutionären Antimilitarismus und des konsequenten Kampfes gegen den Krieg.
Als Rosa Luxemburg ihre Bedenken zur ersten Zimmerwalder Konferenz äußerte, arbeitete sie an ihrer Schrift »Die Akkumulation
des Kapitals oder Was die Epigonen aus der Marxschen Theorie gemacht haben.
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