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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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stehenbleiben, die
     grünenden Sträucher begaffen, wie bei jedem die Blattknospen anders gedreht sind, wie der Ahorn seine gelbgrünen Sternchen
     streut, wie die erste Sternmiere und Ehrenpreis tief im Gras hervorgucken – das ist mir wahrhaftig jetzt die höchste Lebenswonne,
     und ich brauche, will und ersehne nichts mehr, wenn ich nur jeden Tag ein Stündchen so verbringen kann. Verstehe mich nicht
     falsch! Ich will nicht sagen, daß ich mich auf dies beschränken und kein aktives und denkendes Leben führen möchte. Ich will
     nur sagen, daß mein persönliches Glück dann gedeckt ist und ich damit schon für alles Entbehren und Kämpfen gewappnet und
     entschädigt bin.« 161

Die Dinge müssen dort ins Grandiose gehen
    Die Welt veränderte sich für Rosa Luxemburg, als sie in Wronke die Nachricht vom Beginn der bürgerlich-demokratischen Revolution
     in Rußland erhielt. Am 10. März 1917 waren die seit Tagen andauernden Streiks der Petrograder Arbeiter in einen Generalstreik
     übergegangen. Am 11. März begannen die Streikenden nach den Losungen der Bolschewiki den bewaffneten Aufstand, der das ganze
     Land erfaßte. Arbeiter und Bauern stürzten den Zarismus und bildeten in Petrograd am 12. März den Sowjet der Arbeiter- und
     Soldatendeputierten. Daneben entstand mit geheimer Unterstützung der Sozialrevolutionäre und Menschewiki, die in den Sowjets
     die Mehrheit besaßen, die Provisorische Regierung. Es bildete sich eine Doppelherrschaft heraus. Lenin kehrte am 16. April
     aus der Schweiz nach Rußland zurück und drängte an der Spitze der Partei der Bolschewiki darauf, die Massen für die Weiterführung |558| der Revolution zu mobilisieren. Fast täglich veränderte sich in den folgenden Wochen und Monaten die Lage.
    Rosa Luxemburgs erster Brief zu diesem Ereignis galt Hans Diefenbach. »Wie mich Rußland innerlich in Aufruhr gebracht hat,
     können Sie sich ja denken«, schrieb sie am 27. März 1917. »So mancher alte Freund, der in Moskau, in Petersburg, Orel oder
     Riga seit Jahren im Kerker schmachtete, spaziert jetzt frei. Wie mir das mein Sitzen hier erleichtert! Ein komischer Change
     de places, nicht wahr? Aber ich bin ’s zufrieden und gönne jenen ihre Freiheit, wenn auch meine Chancen gerade dadurch um
     so schlechter geworden sind…« 162 Ihre Freude darüber, daß die russische Revolution frischen Wind in die Weltgeschichte brachte, die mit dem Weltkrieg an einem
     toten Punkt angelangt schien, vermischte sich mit Wehmut darüber, daß ihre eigene Befreiung nun in weite Ferne gerückt schien.
     Hätte sie nicht doch dem Rat von Kurt Rosenfeld folgen sollen, an das Oberkriegsgericht zu appellieren und auf Grund ihres
     Gesundheitszustandes eine Entlassung aus der »Sicherheitshaft« zu fordern? Als ihr Franz Mehring diesen gutgemeinten Ratschlag
     übermittelt hatte, war sie strikt dagegen gewesen. Sie könne sich doch nicht aus der intensiven Tätigkeit gegen den Krieg
     herauslügen; und wegen ihrer körperlichen Gebrechen Lärm zu schlagen widerstrebte ihr. Davon abgesehen erschien es ihr sinnlos,
     da die erforderlichen Atteste nur bei tatsächlicher Lebensgefahr ausgestellt würden. 163
    Infolge einer Nervenüberreizung war Rosa Luxemburg seit Februar 1917 kaum zum Arbeiten gekommen. Am 13. April konnte sie Clara
     Zetkin beruhigen; sie werde nächstens wieder fleißig schaffen können. Die Nachrichten aus Rußland und der Frühling seien dazu
     angetan, einen aufzumuntern. »Die russischen Ereignisse sind von unberechenbarer, gewaltiger Tragweite, und ich betrachte
     das, was dort bis jetzt geschehen, nur als eine kleine Ouvertüre. Die Dinge müssen dort ins Grandiose gehen, das liegt in
     der Natur der Sache. Und ein Echo in der gesamten Welt ist unausbleiblich.« 164 Zwei Tage später meinte sie, bei Luise Kautsky wieder einmal mehr Zuversicht und Lebensmut wecken zu müssen: »Sag mal, wie
     kannst Du bloß wie eine traurige Zikade Dein Liedlein der Trübsal weitersingen, während aus Rußland ein solch heller Lerchenchor |559| herübertönt?! Begreifst Du denn nicht, daß dies unsere eigene Sache ist, die dort siegt und triumphiert, daß es die Weltgeschichte
     in Person ist, die dort ihre Schlachten schlägt und freudetrunken die Carmagnole tanzt? Muß man denn nicht alle Privatmisere
     bei solchem Gang der allgemeinen Sache vergessen? […] Du kannst Dir denken, wie mir in den Gliedern zuckt und wie mir jede
     Nachricht von dort wie ein elektrischer Schlag bis in die

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