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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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Fingerspitzen fährt. Aber das Nichtmitmachenkönnen stimmt mich deshalb
     nicht um ein Jota trüber, und es fällt mir nicht ein, mir durch Stöhnen über das, was ich nicht ändern kann, die Freude am
     Geschehenden zu verkümmern.« 165
    Tatsächlich war ihr Aktionsradius darauf beschränkt, Artikel über die russische Revolution für die Spartakusbriefe zu schreiben
     und anderen Mut zu machen. Soweit es bei den spärlichen Berichten aus Zeitungen und von Besuchern möglich war, verfolgte Rosa
     Luxemburg »das grandiose welthistorische Drama an der Newa« 166 aufmerksam. Sie war geübt, aus Einzelheiten Zusammenhänge abzuleiten und revolutionäre Vorgänge scharfsinnig zu analysieren.
     In ihrem Artikel »Die Revolution in Rußland« vom April 1917 nahm sie das erste Mal außerhalb ihres persönlichen Briefwechsels
     Stellung. Sie betonte, daß der Sieg über den Absolutismus nur ein schwacher Anfang und es mit Sicherheit zu erwarten sei,
     daß der Liberalismus an Entschlossenheit verliere und bald sein wahres Gesicht zeigen werde. Denn von ihm seien revolutionäre
     Umwälzungen zugunsten der Arbeiter und Bauern nicht zu erwarten. Das russische Proletariat komme nicht umhin, das Programm
     von 1905 wieder aufzurollen und durchzusetzen. Demokratische Republik, Achtstundentag und Enteignung des Großgrundbesitzes
     stünden als erstes auf der Tagesordnung. Am dringlichsten aber sei es, den imperialistischen Krieg zu beenden. »Die Aktion
     für den Frieden kann eben in Rußland wie anderwärts nur in einer Form entfaltet werden: als revolutionärer Klassenkampf gegen
     die eigene Bourgeoisie, als Kampf um die politische Macht im Staate.« 167
    Mit aller Bestimmtheit schrieb sie, die künftige Entwicklung der Revolution hinge nicht zuletzt vom deutschen Proletariat
     ab. Wann würde es begreifen, daß die jetzt im Osten fechtenden Truppen nicht mehr gegen den Zarismus, sondern gegen |560| die Revolution Front machten? Ein Verharren in der Haltung eines gehorsamen Kanonenfutters hieße, die russischen Brüder in
     der Revolution zu verraten.
    In weiteren Artikeln über den Gang und das Echo der Ereignisse in Rußland ließ es Rosa Luxemburg nicht an beißendem Spott
     fehlen über den heuchlerischen Umgang der europäischen Mächte mit der Revolution und die Skepsis in bestimmten Kreisen der
     internationalen Arbeiterbewegung. Nach wie vor vertraute sie auf die Kraft des russischen Proletariats: Es könnte in der Revolution
     »Wunder« vollbringen, sogar eigene Organisationen aufbauen – wenn es vom Ausland nicht im Stich gelassen und einen wirklich
     sicheren Frieden ertrotzen würde.
    Der ungeheuren Schwierigkeiten war sich Rosa Luxemburg von Anfang an bewußt. Die beiden imperialistischen Bündnissysteme in
     Europa, die Entente und der Dreibund der Mittelmächte, seien für die russische Revolution gleichermaßen gefährlich. Am 5.
     November 1916 hatten die Mittelmächte das Königreich Polen proklamiert, d. h. aus dem bisherigen Russisch-Polen sollte ein
     »selbständiger« Staat mit erblicher Monarchie und konstitutioneller Verfassung gebildet und eng mit Deutschland und Österreich-Ungarn
     verbunden werden. Dies ließ sie unheilvolle Entwicklungen ahnen: »Schon jetzt bedeutet die Okkupation des unglückseligen ›unabhängigen
     Polens‹ durch die Deutschen einen schweren Schlag gegen die russische Revolution. Ist doch dadurch die Operationsbasis der
     Revolution eingeengt, ein Land, das stets einer der flammendsten Herde der revolutionären Bewegung war und politisch 1905
     mit an der Spitze der russischen Revolution marschierte, gänzlich ausgeschaltet, sozial in einen Kirchhof, politisch in eine
     deutsche Kaserne verwandelt. Wer garantiert nun, daß morgen, nach Friedensschluß, sobald der deutsche Militarismus seine Pranken
     aus dem Eisen befreit hat, er sie nicht dem russischen Proletariat in die Flanke schlägt, um der gefährlichen Erschütterung
     des deutschen Halbabsolutismus vorzubeugen?!« 168 So klarsichtig schrieb Rosa Luxemburg im Mai 1917 über die Gefahren, die ein Jahr später mit dem Frieden von Brest-Litowsk
     noch viel drohender wurden.
    Jetzt, wo eine Revolution ausgebrochen war, empfand sie es |561| als äußerst unbefriedigend, sich auf theoretische Erörterungen und Prognosen beschränken zu müssen. Ungeduldig wartete sie
     darauf, »wieder dem Weltklavier mit allen zehn Fingern in die Tasten fallen« zu können. Es war nur die halbe Wahrheit, wenn
     sie schrieb, sie

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