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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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lache sich einen Ast und freue sich, wenn ’s auch ohne sie ginge. 169
    Leo Jogiches suchte schon seit Monaten nach einer Möglichkeit, Rosa Luxemburg zu befreien. Er erwog mehrere Varianten, wie
     er sie 1917 in einem konspirativen Brief wissen ließ: »a) Bin ich dafür, daß Sie den Rechtsanwalt unter der Kontrolle von
     Groß [Leo Jogiches] agieren lassen. Daß Groß nichts Unbedachtes zulassen wird und Sie nicht bloßstellt, wissen Sie wohl selbst.
     In solchen Sachen haben für ihn persönliche Momente und Freundschaft keine Geltung (der ›reine Cato!‹). b) Will ich einen
     saugroben Brief an das Internationale Büro (Stockholmer Ausschuß) schreiben im Namen der lieben SDKPiL und es an die Pflicht
     erinnern, Sie sofort für das Büro oder sonst zu reklamieren. Der Ausschuß hat es bereits getan für Otto Bauer (in russischer
     Gefangenschaft) und für Pawlowitsch [muß Kaclerovic heißen] (Zivilgefangener in Österreich), und zwar mit Erfolg (Zusage erhalten).
     Natürlich werde ich dabei hinzufügen, daß Sie zweifellos die ganze jetzige Tätigkeit des Ausschusses selbst (Konferenz etc.)
     mißbilligen. c) Ein Schreiben desselben Inhalts an dasselbe Büro vom Alten [Franz Mehring] im Namen der Gruppe ›Internationale‹.
     d) Publizierung der eventuellen Schritte des Ausschuses in der Presse, damit die Sache publik wird und die deutschen Behörden
     mit dem Eindruck rechnen müssen. e) Eventuell will ich versuchen (nur weiß ich nicht, ob dies aus technischen Gründen möglich
     sein wird), eine Sie betreffende Kundgebung auf dem allgemeinen Kongreß aller Arbeiter- und Soldatenräte Rußlands im Juni
     zu veranlassen.« 170 Eine andere Möglichkeit eröffne sich, wenn ihre Parteiorganisation Teltow-Beeskow-Storkow-Charlottenburg sie als Delegierte
     zur Internationalen Sozialistischen Konferenz in Stockholm, die vom 5. bis 12. September 1917 stattfinden sollte, wählen werde.
     Man müsse Krach schlagen und die Behörden bloßstellen, damit sie eher freikäme.
    Am 9. Juli 1917 unternahm Otto Rühle im Reichstag einen Vorstoß für Rosa Luxemburgs Freilassung: »Was gedenkt der |562| Herr Reichskanzler zu tun, um die gegen Frau Dr. Luxemburg verhängte, dem Schutzhaft-Gesetz widersprechende Sicherheitshaft
     zur Aufhebung zu bringen, und wie gedenkt er das Ersuchen des Holländisch-Skaninavischen Komitees zu beantworten, um nicht
     im In- und Ausland den Eindruck aufkommen zu lassen, daß in Frau Dr. Luxemburg eine politische Gegnerin der Regierung verhindert
     werden soll, in Stockholm für den Frieden zu wirken.« 171 Diese Anfrage wurde völlig ignoriert. Erst am 11. Oktober 1917 reagierte der Reichskanzler in einem Schreiben an den Reichstagspräsidenten:
     »Die Schutzhaft ist über Frau Rosa Luxemburg verhängt worden, weil sie eine äußerst rege und aufhetzende Tätigkeit in der
     radikal-sozialistischen Bewegung entwickelt und dadurch die Sicherheit des Reichs gefährdet hat. Der Einleitung eines Strafverfahrens
     bedarf es zur Verhängung der Schutzhaft nicht. Gegen den ihr eröffneten Haftbefehl hat Frau Rosa Luxemburg auf Grund des Schutzhaftgesetzes
     vom 1. Dezember 1916 Beschwerde bei dem Reichsmilitärgericht erhoben. Das Verfahren schwebt zur Zeit noch. Der Reichskanzler
     ist nicht in der Lage, in dieses Verfahren irgendwie einzugreifen und auf Aufhebung der Schutzhaft hinzuwirken. Durch die
     Tatsache der bestehenden Schutzhaft erübrigt sich im übrigen ein Eingehen auf die bezüglich der Teilnahme der Frau Rosa Luxemburg
     an der Stockholmer Konferenz gestellten Fragen.« 172

Plötzlich stürze ich immer wieder von meiner Sonnenhöhe in den Graben
    Im Juni 1917 konnte Rosa Luxemburg nicht mehr verheimlichen, wie miserabel sie sich immer wieder fühlte. Mathilde Jacob gestand
     sie, manchmal glaube sie, wahnsinnig zu werden. 173 Dennoch versuche sie, alles zu tun, um auf dem Posten zu bleiben. Fleißig arbeitete sie weiter an der Übersetzung von Korolenkos
     »Geschichte meines Zeitgenossen«.
    Aber schließlich half der Sommer mit seiner Wärme, seiner Blütenpracht und den heiteren Vogelstimmen die körperlichen Beschwerden
     und seelischen Nöte zu bezwingen. In ausführlichen und geschliffenen Briefen, die wohl auch Selbstzweck |563| waren, schilderte sie Sophie Liebknecht und Hans Diefenbach die Gebilde und Farbnuancen der Wolken, das Spiel der Sonne, den
     Mond am Sternenhimmel, berichtete von Vögeln, Schmetterlingen und Insekten und der Pflege von Blumen und Sträuchern.

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