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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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Parteivergangenheit verklärt und konserviert wurde und wenig Konsequenz für eine revolutionäre
     Gestaltung der Zukunft zu spüren war. 147 Wie diesem Zustand konzeptionell in der Praxis begegnet werden sollte, wußte sie vorläufig nicht. De facto befand sie sich
     im Nachtrab der Entscheidungsakteure in der Führung der USPD.
    Sie war unzufrieden und fürchtete sich manchmal direkt vor den unerquicklichen Debatten, die vermutlich auch nach dem Kriege
     nicht zur Ruhe kamen. »Und ich habe bei Gott so wenig Lust zu der bevorstehenden Rauferei! Immer und ewig dieselben holden
     Gestalten um mich haben, denselben Ad[olph] Hoffm[ann] mit seinem Berliner ›Mutterwitz‹ und seinen Inexpressibles (verzeihen
     Sie!), die wie zwei zusammenbrechende dorische Säulen aussehen, und ewig denselben breitkrämpigen braunen Plüschhut des Vaters
     Pfannkuch vor mir haben? Mir graut, daß ich bis zu meinem Lebensende von diesen Dingen flankiert werden soll. ›Throne bersten,
     Reiche splittern‹, die Welt steht auf dem Kopf – und zum Schluß komme ich nicht aus dem ›schlimmen Zirkel‹ ewig derselben
     paar Dutzend Leute, et plus ça change – plus ça reste tout à fait la même chose [je mehr es sich ändert – um so mehr bleibt
     es ganz dasselbe]. Also seien Sie auf alles gefaßt!« 148 Kurze Zeit später sprach sie sich und anderen wieder Mut zu: »Aber ich meine: Der Erfolg dieser bewußten Einwirkung auf die
     Massen hängt jetzt, wo alles so absolut hoffnungslos aussieht, von elementaren, tief verborgenen Sprungfedern der Geschichte
     ab, und ich weiß aus der geschichtlichen Erfahrung, auch aus persönlicher Erfahrung in Rußland, daß gerade dann, |552| wenn äußerlich sich alles glänzend ausweglos und jämmerlich ausnimmt, schon ein völliger Umschwung sich vorbereitet, der dann
     allerdings um so heftiger ist. Vergessen Sie überhaupt nie: Wir sind an geschichtliche Entwicklungsgesetze gebunden, und diese
     versagen nie, wenn sie auch manchmal nicht just nach Schema F gehen, das wir uns zurechtgelegt haben. Also, auf jeden Fall:
     Kopf hoch und den Mut nicht sinken lassen.« 149

Sie müssen mir oft schreiben
    Während Rosa Luxemburg in der Festung Wronke durch staatlichen Zwang »auf Urlaub« von der Weltgeschichte war, sorgte sie sich
     besonders um Sophie Liebknecht, deren Mann im Zuchthaus Luckau als »Landesverräter« einsaß. Sie ermunterte die Freundin, sich
     ungeniert über den tragischen Konflikt auszusprechen, in den sie durch Karl geraten sei. Sophie dürfe weder ihre Selbstachtung
     und ihren eigenen Willen preisgeben noch sich von der Sorge um ihre Mutter in Rußland, um Karl, den geliebten Mann, und seine
     Kinder total beherrschen lassen. 150 Mit Erinnerungen an gemeinsame Konzertbesuche, Spaziergänge, Automobilfahrten, Kaffee- und Teestunden oder an übermütige
     Lachsalven versuchte sie die junge Frau aufzuheitern. Sie riet ihr, das Leben so zu akzeptieren, wie es seit jeher ist: »[…]
     alles gehört dazu: Leid und Trennung und Sehnsucht. Man muß es immer mit allem nehmen und alles schön und gut finden. Ich
     tue es wenigstens so. Nicht durch ausgeklügelte Weisheit, sondern einfach so aus meiner Natur. Ich fühle instinktiv, daß das
     die einzig richtige Art ist, das Leben zu nehmen, und fühle mich deshalb wirklich glücklich in jeder Lage. Ich möchte auch
     nichts aus meinem Leben missen und nichts anders haben, als es war und ist. Wenn ich Sie doch zu dieser Lebensauffassung bringen
     könnte!« 151
    Mit Universalismus und innerer Harmonie, die jeder anstreben könne, ließen sich selbst schwere Lebenslagen überstehen, erklärte
     Rosa Luxemburg in einem Brief an Luise Kautsky. Zuvor hatte sie ihr allerdings gestanden, länger nicht geschrieben zu haben,
     weil sie, bei eisigem Sturmwind und grimmiger |553| Kälte miserabel gestimmt, selbst auf einen herzlichen und warmen Brief gewartet und eine kurze Periode erbärmlicher Feigheit
     durchlebt habe. 152 Sie bat ihre Freunde, sie gelegentlich daran zu erinnern, daß Güte im Umgang mit anderen viel wichtiger sei als Strenge,
     da sie, freilich nur in politischen Beziehungen, zur Strenge neige. 153 Sich durch Stöhnen über Unabänderliches die Freude am Dasein zu verderben, müsse man sich abgewöhnen: »Nimm aber die Dinge
     umgekehrt und suche nach Honig in jeder Blüte, so findest Du stets Ursache, um heiter zu sein.« 154
    Neben Sophie Liebknecht und Luise Kautsky gehörten Mathilde Jacob, Marta Rosenbaum, Clara Zetkin

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