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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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hervorragenden Redners gekommen, Referentenanforderungen aus Breslau und Leipzig würden sicher nicht ausbleiben;
     drittens sei sie mit den Verhältnissen in Oberschlesien bekannt geworden und könne nun mit größerer Sicherheit darüber schreiben;
     viertens habe sie praktische Verbindungen zum Parteivorstand erhalten und fünftens die wichtigsten oberschlesischen Arbeiteragitatoren
     kennengelernt.
    Rosa Luxemburg war froh, auch im Reden auf öffentlichen Versammlungen Erfahrungen gesammelt zu haben. 24 Auf eine gewisse Skepsis, die Leo Jogiches vermutlich zu ihrem bisherigen Auftreten in Deutschland äußerte, erwiderte sie:
     »Nicht, daß ich entflammt und von Enthusiasmus gepackt wäre, im Gegenteil, ich bin ganz ruhig und sehe zuversichtlich in die
     Zukunft. Du hast keine Ahnung, wie gut meine bisherigen Versuche, auf Versammlungen aufzutreten, auf mich gewirkt haben. Ich
     hatte doch in dieser Hinsicht nicht die geringste Sicherheit, ich mußte mich aufs Eis wagen.« 25
    Auf der Heimfahrt nach Berlin begegnete sie dem Reichstagsabgeordneten und Chefredakteur der »Leipziger Volkszeitung« |88| Bruno Schoenlank. Er bestellte bei ihr gleich einen Artikel über »Die Wahlen in Oberschlesien«, der am 2. Juli 1898 erschien.
     Leo Jogiches war nicht sonderlich erbaut davon, daß sie ihre Zeit für solche Dinge verschwendete. Sie aber wollte die gute
     Stimmung für die Sozialdemokratie in Oberschlesien publik machen und Vorschläge unterbreiten, wie die Agitation nun weitergeführt
     werden sollte.
    »Bis jetzt war die Arbeit verhältnismäßg leicht«, schrieb sie in ihrem journalistischen Debüt in der »Leipziger Volkszeitung«,
     »weil sie sich auf ein bestimmtes konkretes und naheliegendes Ziel, auf die Wahlen richtete. Nun beginnt der viel schwierigere
     Teil – die ruhige, nicht sowohl in die Breite als in die Tiefe gehende unscheinbare Aufklärungsarbeit. Während kurz vor der
     Wahl einige zündende Flugblätter genügten, um die Masse aufzurütteln, werden jetzt andere Hilfsmittel – eine entsprechende
     Broschürenliteratur, vor allem ein Parteiblatt – wichtige, weil stete und nachhaltige Dienste zu leisten haben. Und da wird
     es an den polnischen Genossen in Berlin liegen, unser einziges Parteiorgan in polnischer Sprache [›Gazeta Robotnicza‹] entsprechend
     zu gestalten.« 26 .
    Hatte sie sich in den Wahlkampfreden darum bemüht, den bewährten Agitatoren in der deutschen Sozialdemokratie nachzueifern,
     so betrieb sie die Pressearbeit von Anfang an mit dem Vorsatz, alles besser zu machen. Durch ihre Redaktionstätigkeit für
     polnische Blätter besaß sie bereits Erfahrung. Von der sozialdemokratischen Presse in Deutschland war sie nach den ersten
     Eindrücken nicht sonderlich erbaut. »Es ist ja alles so konventionell, so hölzern, so schablonenhaft.« Zur Ursache meinte
     sie, »daß die Leute beim Schreiben meistenteils vergessen, in sich tiefer zu greifen und die ganze Wichtigkeit und Wahrheit
     des Geschriebenen zu empfinden. Ich glaube, daß man jedes Mal, jeden Tag, bei jedem Artikel wieder die Sache durchleben, durchfühlen
     muß, dann würden sich auch frische, vom Herzen und zum Herzen gehende Worte für die alte, bekannte Sache finden. […] Ich nehme
     mir vor, beim Schreiben nie zu vergessen, mich für das Geschriebene jedesmal zu begeistern und in mich zu gehen. Ebendeshalb
     lese ich von Zeit zu Zeit den alten Börne, er erinnert mich treu an meinen Schwur.« 27
    |89| Nach dem Erfolg ihrer Agitationsreise hoffte Rosa Luxemburg, auch in Berlin in einer Versammlung zu den Stichwahlen auftreten
     zu können. Sie arbeitete dafür extra ein Referat aus, doch der Parteivorstand setzte sie nicht ein. Rosa Luxemburg hatte genug
     zu tun, denn sie korrigierte die Fahnenabzüge ihrer Doktorarbeit, die im Leipziger Verlag Duncker & Humblot als
     Dissertationsschrift und als Buch erscheinen sollte. Leo las in Zürich die gesamte Fahnenkorrektur mit, entdeckte Ungenauigkeiten,
     korrigierte Satzfehler und half, den Stil zu verbessern. Er verlangte offenbar größere Korrektheit und ein nochmaliges Durchdenken
     aller Thesen. Sie wurde ungeduldig, wollte endlich fertig sein damit und reagierte auf seine Hinweise unbeherrscht. Differenzen
     blieben nicht aus; sie lenkte ein und entschuldigte sich. Zugleich erklärte sie ihre bisherige Arbeitsmethode als Idiotie,
     da selbst für belanglose Kleinigkeiten zuviel Kraft und Gesundheit aufgeboten würden. »Anstrengungen, die der

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