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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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Außenstehende
     nicht sieht, verdienen keine Wertschätzung, sondern Spott. Man muß den Grundsatz haben, mit der geringsten Anstrengung die
     größten Ergebnisse zu erzielen.« 28 So jedenfalls praktiziere sie es jetzt in Berlin, auch wenn er sich dafür nicht begeistern könne. Durch seine literarische
     Pedanterie wüchsen sich Mücken zu Elefanten aus.
» Damit ein Ende – frisch, froh, frei,
leicht und froh arbeiten, alles ernsthaft durchdenken, aber kurz; was schon erreicht ist, daran wird überhaupt nicht mehr
     gedacht, schnell entscheiden, schnell ausführen, und weiter geht die Fahrt.« 29
    Nach dieser Devise zu leben wollte aber auch ihr selbst gar nicht so leicht gelingen. Sie fühle sich »kalt und ruhig« – empfinde
     weder Angst, noch Schmerz, noch Einsamkeit – eigentlich fehle ihr das Leben. 30
    Apathie und Depressionen überkamen sie: »Wenn Du hier wärst, d. h., wenn wir zusammenleben würden, wäre meine Existenz hier
     irgendwie normal«, erklärte sie ihm, »und es kann leicht sein, daß mir dann auch Berlin gefallen würde und ich im Tiergarten
     Vergnügen am Spazierengehen hätte etc. Jetzt nehme ich, genaugenommen, keinerlei angenehme Eindrücke auf – ob es regnet, ob
     die Sonne brennt, ist mir völlig gleichgültig, gehe ich durch die Straßen, so achte ich überhaupt nicht auf die Auslagen,
     die Menschen; zu Hause denke ich nur daran, was zu |90| tun ist, welche Briefe zu schreiben sind, und lege mich mit der gleichen Gleichgültigkeit schlafen, mit der ich aufstehe.
     Letzten Endes scheint es mir, daß das alles einen sehr einfachen Grund hat – weil Du nicht hier bist. Ich fühle mich dadurch
     irgendwie vom Boden losgerissen, fremd allen und allem.« 31 Sie habe weder Lust, mit jemandem zu sprechen noch das Haus zu verlassen.
    Um so glücklicher war sie, als sie am 10. Juli 1898 Leo Jogiches schreiben konnte, daß ihre Dissertation gedruckt vorlag.
     »Sieht sehr hübsch aus, nicht wahr? Ich muß gestehen, als ich das Päckchen öffnete, wurde es mir ganz schwach ums Herz, und
     ich bin über und über errötet. Du wirst dort darüber lachen.« 32 Nachdem sie die Pflichtexemplare an die Universität gesandt hatte, erhielt sie am 20. Juli 1898 ihr Doktordiplom, ausgefertigt
     in lateinischer Sprache mit der Note »magna cum laude«. Mit ihrer Schwester Anna, die bei ihr zu Besuch weilte, freute sie
     sich auch darüber, daß etwa zur gleichen Zeit ihr Bruder Józef in einem Wettbewerb der Warschauer Medizinischen Gesellschaft
     mit 300 Rubel ausgezeichnet wurde.
    Stolz verschickte Rosa Luxemburg ihr Buch an deutsche, polnische und ausländische Sozialdemokraten, an Professoren der Züricher
     Universität, an Bekannte und Freunde. Rezensionen erschienen vielerorts. Als einer der ersten reagierte ihr Züricher Freund
     Robert Seidel, der im »Volksrecht« (Zürich) am 11. August 1898 u. a. bemerkte: »Das Buch unserer Genossin ist ein dünnes Buch,
     es zählt nur 95 Seiten, aber es bietet mehr Stoff und Gehalt, wie mancher dicke Band. Eine reiche Literatur in polnischer
     und russischer Sprache, sowie in anderen Sprachen ist darin verarbeitet. Wir sagen verarbeitet und das heißt: Nicht geistlos
     abgeschrieben und nachgebetet, wie es so häufig geschieht, sondern selbstdenkend verwertet. Die Schrift stellt sich nicht
     dar als das Erstlingswerk eines Werdenden, sondern als die gereifte Frucht eines Gewordenen. Sie ist ohne Zweifel eine der
     bedeutendsten Erscheinungen auf dem Gebiete der sozialwissenschaftlichen Literatur über Polen und Rußland und wird Aufsehen
     machen.« Er bezeichnete die Dissertation als eine »wissenschaftlich-revolutionäre Schrift«. Eine Frau sei nötig gewesen, um
     die erste gründliche Arbeit zu diesem Thema vorzulegen. 33 Seidel sei wohl wahnsinnig geworden mit dieser |91| Reklame, mockierte sie sich. Sie sei errötet, als sie das las, er habe sie entschieden zu stark gelobt, schrieb sie ihm. 34
    In der »Neuen Zeit« hob August Winter die solide Quellenbasis und das neue Bild über die ökonomische Lage Rußlands hervor.
     Er informierte ausführlich über die Arbeit der Verfasserin mit ihrer »ansonsten eigenartigen Stellung unter den polnischen
     Sozialisten«. 35 Zofia Daszyńska distanzierte sich in den »Sozialistischen Monatsheften« von Rosa Luxemburgs Forschungsergebnis. 36
    In seinem Artikel »Das Frauenstudium der Nationalökonomie« erkannte Professor Heinrich Herkner an: »Unter den nationalökonomisch
     gebildeten Polinnen ragen

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