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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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sind« 178 . Und sie begründete ihre Entscheidung von Hannover: »Eine ernste und große Partei spaltet sich nicht wegen Zeitungsartikeln,
     auch nicht wegen vereinzelter politischer Seitensprünge. Wenn jedoch der Verrat an sozialistischen Grundsätzen in der Praxis
     eines Teiles der Partei zum System wird, dann wird jede ernste Partei sich sagen wie Marx vor dreißig Jahren in der Internationale:
     Lieber ein offener Krieg als ein fauler Friede!« 179
    Dennoch wurde Rosa Luxemburg, die durch ihre Stellungnahmen zu Bernstein und dessen Anhängern mit ins Zentrum der Polemik
     innerhalb der deutschen Sozialdemokratie gerückt war, von manch einem Sozialdemokraten auch persönlich beleidigt. |136| So »tröstete« es Ignatz Auer, daß diejenigen, die die Hauptangriffe gegen Bernstein, dessen Anhänger und gegen Schippel gerichtet
     hätten, » nicht deutsche Genossen, nicht aus der deutschen Bewegung hervorgegangen seien. Das Vorgehen einzelner derselben, namentlich der Frau Rosa Luxemburg , sei illoyal , sei › unter Kameraden‹ nicht schön .« 180 Solche Töne griff die bürgerliche Presse genüßlich auf. In der politisch-satirischen Wochenschrift »Simplicissimus« verhöhnte
     ein Spottgedicht Rosa Luxemburg besonders primitiv:
    Nur eines gibt es, was ich wirklich hasse:
    Das ist der Volksversammlungsrednerinnen,
    Der Zielbewußten, tintenfrohen Klasse.
    Ich bin der Ansicht, daß sie alle spinnen.
    Sie taugen nichts im Hause, nichts im Bette.
    Mag Fräulein Luxemburg die Nase rümpfen,
    Auch sie hat sicherlich – was gilt die Wette? –
    Mehr als ein Loch in ihren woll’nen Strümpfen. 181
    Derartige Angriffe ließen Rosa Luxemburg kalt. Sie dienten ihr höchstens als Aufhänger oder Pointen in der Agitation, wie
     sie sie am 22. November 1899 vor 2000 Menschen im Luisen-Park in Magdeburg gegen die zunehmenden Reaktionstendenzen im Deutschen
     Reich betrieb und auf ihrer Tour durch Oberschlesien in der 2. Dezemberhälfte.
    Für Karl Kautsky und August Bebel war Rosa Luxemburg nun erst recht eine streitbare und gefragte Partnerin. Sie wollten Rosa
     Luxemburg am liebsten zum dritten politischen Redakteur des »Vorwärts«, zum Gegengewicht von Kurt Eisner und Georg Gradnauer
     avancieren lassen. Doch auf beiden Seiten gab es dafür keine hinreichenden Ambitionen. Rosa Luxemburg lehnte die Stelle beim
     »Vorwärts« ebenso ab wie die ihr kurz zuvor bei der »Leipziger Volkszeitung« angebotene, obwohl sie das Geld gut hätte gebrauchen
     können. Für den »Vorwärts« schlug sie statt dessen Heinrich Ströbel vor.
    Rosa Luxemburg meinte offenbar, ihr Können und Wollen bereits so überzeugend bewiesen zu haben, daß sie nicht mehr jedes Angebot
     annehmen müßte. Die bitteren Erfahrungen in der »Sächsischen Arbeiter-Zeitung« hatten ihr Interesse an |137| einer festen Anstellung in einer Redaktion vermindert. Vermutlich unterschätzte sie die Bedeutung einer solchen Position für
     ihre Einflußmöglichkeiten in der deutschen Partei.
    An Leo Jogiches hatte sie bereits im Frühjahr 1889 unumwunden geschrieben: »Dort, wo Dutzende Zeitungen und Hunderte Menschen
     (Erwachsene) an einer Diskussion teilnehmen, ist eine einheitliche ›Richtung‹ unmöglich. Überhaupt, Ciucia, wollte ich Dir
     schon öfter schreiben, daß Du Deine Methoden, die man in unserem polnisch-russischen Puppentheater anwenden kann, wo siebeneinhalb
     Personen, besser Esel, wirken, auf eine Millionenpartei überträgst. Bei Dir geht alles darum zu
schieben
, den einen zu überreden, den anderen anzustoßen, dem dritten Mut zu machen etc. Ich habe mich auch daran gehalten, bis zu
     meinen letzten Besuchen bei K. K. [Karl Kautsky] und Bebel. Jetzt sehe ich, daß das
Mumpitz
ist. Künstlich läßt sich nichts machen. Man muß nur das Seine machen,
das ist die ganze Wissenschaft,
und durch eine
Drahtzieherei
hinter den Kulissen läßt sich gar nichts machen!
Laß sie doch reden,
Ciucia, das Ergebnis wird gut.« 182 Rosa Luxemburg war von der Richtigkeit ihrer Entscheidung für Berlin, für die deutsche Sozialdemokratie und von der gelungenen
     Art ihres Einstiegs in den Wahlkampf wie in die Theoriedebatte überzeugt.

Du weißt, daß ich auch ein Dickschädel bin
    Nach dem Parteitag zog Rosa Luxemburg in Friedenau in ein neues Zimmer ein, dieses Mal in die Wielandstraße 23, in unmittelbarer
     Nähe der Kautskys. Ihr Zimmer lag im II. Stock, war ein Salon mit Plüschmöbeln, hatte einen großen Balkon und kostete 80 Mark.
     Herrlich

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