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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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Interesse und stand mit ihr in regem Briefkontakt. 61
    Mit dem Stoßseufzer »Das war vielleicht eine Arbeit«, die sie nicht noch einmal machen möchte, atmete sie zu ihrem Geburtstag
     auf. 62 Noch konnte sie nicht ahnen, daß es auf dem Lübecker Parteitag der deutschen Sozialdemokratie im Herbst 1901 ein Nachspiel
     geben würde. Sekundiert von Wolfgang Heine und anderen, bezichtigte dort Richard Fischer die bereits abgereiste Rosa Luxemburg
     der Rabulistik und Fälschung von Tatsachen. Der Angriff dieses Vertreters des Bernsteinschen Revisionismus richtete sich gegen
     die marxistischen Positionen in der »Neuen Zeit« insgesamt.
    Rosa Luxemburg begehrte energisch auf, als Kautsky ihr eine Erwiderung verwehrte. Sie versuchte ihm zu erklären, er unterliege
     einer Selbsttäuschung, wenn er meine, aus Freundschaft und in ihrem Interesse so handeln zu müssen. Gerade ihr als junger
     und angefeindeter Publizistin müsse er zu einer Gegendarstellung raten. »Der Freund ließ sich aber ganz vom Redakteur der
     ›Neuen Zeit‹ beherrschen, und dieser will seit dem Parteitag überhaupt nur eins: Er will seine Ruhe haben, er will zeigen,
     daß die ›Neue Zeit‹ nach den erhaltenen Prügeln artig geworden ist und Maul hält. Und deshalb mag auch ein gutes Recht des
     Mitarbeiters der ›Neuen Zeit‹ auf die Wahrung seiner wichtigsten Interessen, sein Recht auf die Verteidigung gegen öffentliche
     Verleumdungen, geopfert werden. Mag auch jemand, der für die ›Neue Zeit‹ – nicht am wenigsten und nicht am schlechtesten –
     arbeitet, die öffentliche Anschuldigung der Fälschung verschlucken, damit nur in allen Wipfeln Ruh’ herrscht. So liegt die
     Sache, mein Freund!« 63
    Im Sommer 1901 gönnte sie sich den verdienten Urlaub im Nordseebad Wenningstedt. Ihr Urteil fiel jedoch – zumal im Vergleich
     mit Italien und der Schweiz – mager aus. »Wer nämlich nach Sylt fährt«, schrieb sie an Luise Kautsky, »muß allen Farben und
     Gerüchen auf solange Valet sagen. Können Sie sich eine Insel vorstellen, die so flach ist, daß man den geringsten Turm vom
     einen Ende bis zum andern sieht, so kahl und |168| entblößt von jedem Baum und Strauch, daß man sich gewissermaßen wie auf einem Teebrett fühlt – kein Grat, kein Blümchen, nichts
     – rein gar nichts, nur das ewig rauschende Meer ringsum […]. Man sieht hier ja nichts anderes als Sandflöhe!« 64
    Doch weit stärker fühlte sie sich durch die »sozialen Sandflöhe« belästigt. So titulierte sie das ihr bei Tisch gegenübersitzende
     Ehepaar Bloch, das sie in einen langen Diskurs unter »politischen Gegnern« verwickeln wollte. Zudem fand sie unerhört, daß
     Joseph Bloch seine Frau, »eine ausgesuchte Häßlichkeit«, vorschickte. Bei solchen Gelegenheiten pflegte sich Rosa Luxemburg
     sehr abweisend zu verhalten. 65
    In der Nacht vom 15. auf den 16. August kehrte die Dreißigjährige nach Berlin zurück. Sie habe sich blendend erholt und sähe
     vortrefflich aus, stellte Luise Kautsky fest. Während Karl Kautsky zur Kur war, fanden die beiden Frauen erstmals genügend
     Zeit, sich besser kennenzulernen. Noch vor einem Jahr hatte sich Rosa Luxemburg sehr zurückhaltend über Luise Kautsky geäußert.
     Sie vermisse an ihr den Edelmut, den sie bei einer Frau immer suchen würde. 66 Erst jetzt entwickelte sich aus der flüchtigen Bekanntschaft eine feste Freundschaft, die sich in vielen – auch sehr unterschiedlichen
     – Lebenssituationen bewähren sollte. Den politischen Alltag einmal vergessend, nahmen sie sich Zeit für vergnügliche Plaudereien,
     diskutierten häusliche Dinge und berieten sich sogar in manchen Herzensangelegenheiten. Sie stellten eine gemeinsame Vorliebe
     für Männer wie Hans Kautsky, Hugo Faisst und Eduard Fuchs fest, die gelegentliche Treffen durch Lebenslust, Esprit und Kunstverstand
     bereicherten.
    »Und nun stelle man sich die Wirkung dieses lebendigen, geistsprühenden, trotz ihrer körperlichen Unscheinbarkeit anmutigen
     Wesens auf die Jugend vor!« schrieb Luise Kautsky später über ihre Erlebnisse mit Rosa Luxemburg im Kreise ihrer Familie.
     »Von den Kleinsten angefangen, mit denen sie mit heißen Wangen unermüdlich spielen konnte, wobei sie selbst wieder zum Kinde
     wurde, bis zur reiferen und reifsten Jugend liefen sie ihr alle zu, wie dem Rattenfänger von Hameln. Alle wußte sie zu fesseln
     und in geistreichster Weise zu beschäftigen und war bei allem, was sie mit ihnen unternahm, |169| selbst

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