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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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man die sozialistische Opposition
     nicht preisgeben, müsse alle Möglichkeiten eigenständiger Politik ausschöpfen und dürfe sich nicht dem bürgerlichen und kleinbürgerlichen
     Republikanismus unterordnen oder anbiedern.
    Sie hatte erkannt, daß in Monarchien wie Deutschland die Sozialdemokratie unbefangener mit der Republik als Kampflosung umgehen
     konnte. Hier sei die »Republik ausschließlich eine Forderung der sozialistischen Arbeiterklasse und deshalb mit dem Sozialismus
     aufs innigste verbunden« 47 . Auch wenn eine bürgerlich-demokratische Republik für das Wirken sozialistischer Parteien und anderer demokratischer Organisationen
     bessere Bedingungen biete als Monarchien und Despotien, so sei sie letztlich immer Herrschaftsinstrument der besitzenden Klassen
     und Schichten.
    Jaurès hatte sich von Millerands Mitwirkung in der Regierung Fortschritte bei der Durchsetzung von Sozialreformen erhofft.
     Seine Kontrahentin analysierte sehr genau die Ergebnisse der bislang eingebrachten Gesetzesvorlagen, konnte aber die prophezeiten
     Erfolge nicht ausmachen: »Die Verhältnisse haben sich stärker als die Einzelperson erwiesen, und der Sozialist, der in eine
     bürgerliche Regierung eingetreten ist, hat nicht die Sozialpolitik der Regierung zum Werkzeug der sozialistischen Bestrebungen
     gemacht, sondern ist umgekehrt in seiner Sozialpolitik zum Werkzeug der bürgerlichen Regierung geworden.« 48
    Den größten und fundamentalsten Widerspruch in der Dritten Republik Frankreichs bildete für Rosa Luxemburg aber der Gegensatz
     zwischen einer auf Herrschaft des bürgerlichen Parlaments basierenden Republik und einer großen, auf Kolonial- |164| und Weltpolitik zugeschnittenen ständigen Armee. Dieser könne nur aufgehoben werden durch »Auflösung der Armee in der Zivilgesellschaft
     und in der Organisierung der Zivilgesellschaft zur Armee« 49 . Das bedeute Ablösung des stehenden Heeres durch ein Milizheer, Abschaffung der Militärgerichtsbarkeit, Kürzung der Dienstzeit,
     Trennung der Schule von der Kirche, der Kirche vom Staat, Aufdecken von Korruption und Entlarvung von Verbrechen. Gemessen
     an diesen Forderungen hatte die Regierung Waldeck-Rousseau, die doch gerade als »Regierung der Verteidigung der Republik«
     angetreten sei, nichts erreicht. Rosa Luxemburg hielt dies für ganz und gar folgerichtig, denn ein Sozialist als Minister
     könne per definitionem in einer bürgerlichen Regierung nichts ausrichten; im Gegenteil, durch Verzicht auf systematische und
     prinzipielle Kritik an der Regierung und durch Verschweigen von Fehlern und Mängeln der herrschenden Politik vor der Öffentlichkeit
     trage er entscheidend zum Machtausbau der bürgerlichen Regierung bei und verbräme darüber hinaus bürgerliche Sozialreformen
     als sozialistische Erfolge. Sozialistische Kritiken seiner Freunde im Parlament verkümmerten so zwangsläufig zu »Schaustellungen
     der ›weiten Horizonte‹ des Sozialismus,
ohne jeden Einfluß auf die praktische Politik der Regierung
«. 50 »Es ist dies ein richtiges Bankerottierdasein, eine Politik von der Hand in den Mund, von heute auf morgen, gerichtet einzig
     nach den parlamentarischen Augenblickskombinationen, eine Jagd nach politischen Erfolgen, in der alles nach der Reihe um alles
     geopfert und schließlich nichts eingeholt wird als der Katzenjammer, ein rettungsloses Abrutschen auf der Bahn der Abdikationen,
     auf der es keinen Halt gibt, ein völlig prinziploses Hinundherpendeln, das nur einen festen Punkt im Raume kennt: die Rockschöße
     des ›sozialistischen Ministers‹.« 51 Nur durch grundsätzliche Opposition ließen sich von den Sozialisten sichtbare Erfolge zugunsten der arbeitenden Menschen
     erringen, und zwar im wesentlichen auf »dreierlei Wegen: indem sie mit ihren am weitesten gehenden Forderungen den bürgerlichen
     Parteien eine gefährliche Konkurrenz bereiten und sie durch den Druck der Wählermassen vorwärtsdrängen; dann, indem sie die
     Regierung vor dem Lande bloßstellen und sie durch die öffentliche Meinung beeinflussen; endlich, indem |165| sie durch ihre Kritik in und außerhalb der Kammer immer mehr die Volksmassen um sich gruppieren und so zu einer achtunggebietenden
     Macht anwachsen, mit der Regierung und Bourgeoisie rechnen müssen.« 52 Allein ein konsequentes Vorgehen sozialistischer Parlamentarier in solchen Richtungen könne als revolutionäre Realpolitik
     verstanden werden.
    Eine ganz andere Frage sei die Beteiligung an

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