Rosa
Cognac. »Hast du schon was gegessen?«
»Du wirst es nicht glauben«, sagte ich. »Mia hat mir einen strammen Max angeboten, aber ich hatte keine Zeit und bin stattdessen zu einem McDonald’s Drive-in gefahren, wo all die hübschen Mädchen an den Schaltern sitzen. Zwei Cheeseburger, ein Erdbeermilchshake. Du ahnst ja gar nicht, wie lecker das schmeckt.«
»Du meine Güte«, sagte Nel. »Was wolltest du bei Mia?«
»Ich brauchte Barts neuen Zugangscode. Ich wollte ihm erklären, warum, und wenn ich das am Telefon getan hätte, hätte er sich noch mehr wie ein ausgenutztes Waisenkind gefühlt. Du weißt ja, wie er ist. Er hat mich eindringlich gebeten, dir ans Herz zu legen, keine dummen Scherze mehr in den Computern zu hinterlassen, weil ihm sonst garantiert die Kollegen von der Kripo auf den Pelz rücken und er es mit ausbaden muss. Um die Pille zu versüßen, habe ich sie für ein Wochenende im Juli zu uns eingeladen.«
»Wozu brauche ich seinen Zugangscode?«
»Damit du ohne tagelanges Herumfummeln reinkommst, schließlich wollten wir doch auch noch nach Spanien.«
Sie zog eine Augenbraue hoch. »In die Polizeicomputer?«
»Du kannst ihn selbst fragen. Sämtliche Codes wurden erneuert, und du wirst in null Komma nichts erwischt. Außerdem musst du in Krankenhauscomputer rein oder in die von der NTS.«
»Ist das ein Fernsehsender?«
»Nein, die Niederländische Transplantationsstiftung.«
Sie schwieg einen Augenblick. »Um eine vermisste Person aufzuspüren?«
»Das Mädchen wird nicht vermisst. Sie ist vor drei Jahren verunglückt, aber ihre Mutter glaubt, dass sie noch lebt, in gewissem Sinne.«
Ich erklärte es ihr. CyberNel schaute mich ungläubig an. »Ihr Herz? Ich verstehe ja, dass die Frau trauert, aber das ist wirklich verrückt.«
»Wir haben schon verrücktere Aufträge gehabt.«
Sie trank ein wenig Cognac und sagte: »Finde ich nicht.«
Ich lachte. Nel hatte Recht, viel verrückter konnte es nicht werden. »Wir brauchen den Polizeibericht und den des Krankenhauses. In den Niederlanden werden Transplantationen nur im Erasmus-Krankenhaus in Rotterdam und im Universitair Medisch Centrum in Utrecht durchgeführt. Der Unfall geschah auf dem Weg von Zeist nach Utrecht, und die Klientin sagte, ihr Mann und ihre Tochter wurden dorthin ins Krankenhaus gebracht.«
»Ist das alles, was sie weiß? Musste sie nicht ihre Zustimmung geben?«
»Das Mädchen war achtzehn, und in dem Fall braucht das Krankenhaus die Zustimmung der Angehörigen nicht. Außerdem war die Mutter in Armenien, also nicht erreichbar. Sie kam gerade noch rechtzeitig zur Beerdigung.«
»Keine anderen Verwandten?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Was machten ihr Mann und ihre Tochter mitten in der Nacht auf der Straße von Zeist nach Utrecht?«
»Keine Ahnung.«
CyberNel runzelte die Stirn. »Die Klientin muss sehr attraktiv sein.«
»Sie ist ziemlich sexy. Wieso?«
»Weil sie es geschafft hat, dich die grundlegenden polizeilichen Fragen vergessen zu lassen. Was tat sie in Armenien?«
»Ich weiß es wirklich nicht. Sie ist Armenierin und betreibt dort irgendein Projekt.«
»Mit wem war sie dort?«
»Nel, bitte. Wir suchen ein Herz, wir wollen kein Komplott aufdecken.«
»Und was wissen wir über den Ehemann? Gab es Probleme in der Ehe? Hat sie einen Liebhaber?«
Das meinte ich damit, dass Nel scharfsinniger ist als ich und schneller. »Es war von Scheidung die Rede«, musste ich zugeben.
»Und es geht um Millionen.« Sie schwieg einen Moment. »Wenn es keine anderen Verwandten gibt, kamen sie also nicht vom Geburtstag einer Tante in Zeist.«
»Du kannst sie ja bei Gelegenheit selbst fragen.«
Sie machte ein Sphinx-Gesicht wie früher, als ich sie noch nicht so gut kannte. »Das werde ich garantiert tun«, sagte sie.
Das Glas in meiner Hand wurde warm und ich trank es aus. »Unser Auftrag besteht darin, das Herz zu suchen.«
»Okay.«
»Es gibt eine Warteliste von Patienten, die ein Spenderherz brauchen. Normalerweise hätte der Empfänger am Tag des Unfalls ganz oben auf dieser Liste stehen müssen.«
Nel schüttelte den Kopf. »Und was ist mit Eurotransplant? Soweit ich weiß, könnte es theoretisch auch eine Frau in Slowenien bekommen haben.«
»Warum eine Frau?«
»Warum nicht?«
Sie schaute mich genauso erstaunt an wie Arin Reider. Als käme selbstverständlich nur eine Frau infrage. »Ein Herz ist ein Herz«, bemerkte ich.
Nel schüttelte den Kopf. »Ein Frauenherz schlägt schneller, um nur ein Argument
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