Rosa
wie Reinkarnation«, riet Nel. »Genau wie die Sache mit den Äpfeln.«
»Ich stelle euch morgen eine schöne Kiste vor die Tür«, versprach Harm.
CyberNel schloss die Tür des quadratischen Häuschens, das nicht viel mehr als ein Reetdach auf vier Balken gewesen war, bis Harm Bokhof entdeckte, dass Obst mehr einbrachte als Milch, und Touristen mehr als Heu. Nach dem Mord an der ersten Bewohnerin hatten wir es von ihm gemietet, wegen der zusätzlichen Gästezimmer und vor allem als Büro für Nel und ihre Computer.
Wir schlüpften durch die Lücke in der Hecke hinüber zu unserem Haus und ich blieb im Mondlicht mit ihr stehen und küsste sie auf den Mund. Die Nacht war kühl.
Eine Kröte quakte unter dem Lavendel und man hörte Geflatter in einer der Pappeln, in der junge Stare so lange Unfug trieben, bis einer von ihnen aus dem Nest fiel.
»Was hast du vor?«, fragte Nel.
Ich knöpfte ihre Bluse auf, unter der sie nichts anhatte, und zog sie vorn auseinander. Ihre Brüste glänzten mattsilbrig. Ich zog sie in die Arme und beugte mich nach vorn, um sie zu küssen. Nel hörte auf zu kichern, griff mich fest an den Schultern und sagte: »Es gibt Frost.«
»Als ich heute Morgen losgefahren bin, hatten wir den 12. Juni.«
Ich schob eine Hand an ihrem Rücken hoch, um sie noch dichter an mich zu ziehen. Es war ein langer Tag gewesen. Erst war ich nach Groningen gefahren, wo ich meine Tochter abgeliefert hatte, und von da aus über den Abschlussdeich nach Amsterdam.
»Der Mond!« Nel zog an meinem Kopf. »Schau doch selbst.«
Ich richtete mich auf, sie in meinen Armen haltend, und schaute hoch. Der Mond sah hart und kalt aus und war umgeben von einer merkwürdigen Aura, nicht diesem nebligen, nahen Dunst, der Regen prophezeit, sondern einem haarscharfen Ring winterlichen Silbers, breiter, als ich je gesehen hatte. Er bedeckte den halben Himmel.
»Das bedeutet Frost«, meinte Nel.
»Im Juni?«
»Schnee in Algerien, Überschwemmungen, Vulkanausbrüche«, sagte Nel.
»Du klingst ja wie die Offenbarung des Johannes. In einer Stunde ist das wieder weg.«
Nel erschauerte. »Es ist ein Omen«, flüsterte sie.
Wir schalteten das Licht ein. Nel knöpfte ihre Bluse zu und ging schnurstracks zu meinem Schreibtisch und ans Telefon. Sie blickte sich nicht um, ob das Omen noch zu sehen war.
»Schläft sie?«, fragte sie in den Hörer. »Ist alles gut gegangen?«
Sie hörte eine Weile ihrer Mutter zu und versprach, jeden Tag anzurufen.
»Sorry hat es schon wieder getan«, erzählte ich, um sie aufzuheitern. »Wir kommen rein, dein Vater und deine Mutter haben nur Augen für Hanna und fangen an, sie zu knuddeln und zu betütteln, und Sorry steht mit puterrotem Gesicht daneben, weil sie denkt, dass man sie ganz vergisst, und dann streckt sie die Hand aus und sagt: ›Sorry, mein Name ist Corrie.‹ So wahr ich hier stehe!«
»Ich hoffe, es passiert nichts«, sagte Nel.
»Jetzt komm schon. Sie hat ihr eigenes Kindermädchen, das sogar bei ihr schläft, im ehemaligen Zimmer deiner Schwester. Tagsüber spazieren sie mit dem Kinderwagen durch das Dorf und geben mit ihr an. Deine Eltern sind überglücklich und Feerweerd ist wahrscheinlich der sicherste Ort der Welt.«
»Sie ist nicht geimpft.«
»Nel.« Ich zog sie die zwei Stufen hinauf ins Wohnzimmer, führte sie zum Sofa und schenkte zwei Gläser Cognac ein. Nel war noch nie einen Tag ohne Hanna gewesen, geschweige denn zwei Wochen, sie brauchte eine Weile, um sich daran zu gewöhnen. Nach ein paar weiteren Besuchen würde sie vielleicht normaler reagieren, aber Mütter sind merkwürdige Wesen. Ich dachte an Arin Reider und ihre lebenslangen Ängste. Sie fallen immer aus Laufställen.
Wir hatten Pläne für eine Tour durch Andalusien geschmiedet und Hannas Großeltern bettelten schon seit Wochen, ob ihre Enkelin sie nicht einmal für eine Weile besuchen kommen könne. Meiner Meinung nach wusste Nels Mutter noch sehr gut, wie man mit einem Kleinkind umgehen musste, doch Nel hatte beschlossen, dass Corrie mitfahren sollte, um ihren Eltern nicht zu viel Arbeit zuzumuten. Corrie war die älteste Tochter einer der letzten einheimischen Familien in unserem Dorf am Deich. Sie hatte als Babysitter bei uns angefangen und war inzwischen zur Haushaltshilfe und zum Ganztags-Kindermädchen aufgestiegen, eine tüchtige, aber schüchterne Heuschrecke, die ihre Sätze meist mit Sorry begann, weshalb wir ihr diesen Spitznamen gegeben hatten.
Nel trank ein Schlückchen von ihrem
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