Rosa
Steenwijk, 43 Jahre alt, wohnhaft in Ede. Ede klang gut, denn die Wahrscheinlichkeit war groß, dass die Frau Patientin des UMC in Utrecht war. Natürlich musste die Kreuzprobe, das so genannte Cross-match, ergeben, dass das Herz des Spenders für den Empfänger geeignet war, doch logisch denkenden Amateuren wie uns erschien es unsinnig, ein Herz über Eurotransplant anderswohin zu transportieren, wenn es eine geeignete Kandidatin gab, die oben auf der Liste stand und innerhalb einer Stunde im Krankenhaus sein konnte. Umso mehr, weil ein Spenderherz innerhalb von vier Stunden transplantiert werden musste.
Die Telefonnummer in Ede war nicht mehr gültig, doch als Nel nach einigem Hin und Her die neue Nummer zu der entsprechenden Adresse herausgefunden hatte, erfuhr sie, dass die Steenwijks gesund und wohlauf raus nach Beusichem gezogen waren. Der Mann wusste zwar ihre neue Nummer nicht, hatte aber die Adresse, weil er ihnen noch manchmal Post nachschickte.
Wir wandten uns zur linken Seite des Hauses, wo eine Einfahrt zu einem Carport führte. Es stand kein Auto darin. Ich klopfte an eine Seitentür, drehte am Knauf, öffnete sie einen Spalt und rief »Hallo«. Eine Katze schlüpfte an mir vorbei nach draußen. Wir folgten der Katze zu einer Wiese und einem Gemüsegarten hinter dem Haus. Gartenmöbel aus Holz, ein niedriges Gartenhaus und ein Stück weit entfernt ein Obstgarten mit altem Baumbestand.
Wir hörten ein Auto, als wir auf halbem Wege über den Rasen in Richtung Haus waren. Eine Frau stieg aus einem Toyota aus und öffnete den Kofferraum, um eine Tasche mit Einkäufen herauszuholen. Sie hob den Blick, offensichtlich erstaunt über die entlaufene Katze, die auf sie zurannte und ihr um die Beine strich. Dann sah sie uns. Gott sei Dank erschreckte sie sich nicht. Ich wusste nicht viel über transplantierte Herzen, aber Aufregung hielt ich für ungesund.
»Mevrouw Steenwijk?«
»Ja?«
Sie nahm die Einkaufstasche auf den Arm und lächelte uns freundlich zu. Sie hatte hellblondes Haar, das an Friesland oder Schweden erinnerte, kornblumenblaue Augen und ein rundliches Gesicht, eine gesunde Hautfarbe und die Fältchen einer erwachsenen Frau. Ihr Anblick machte mir bewusst, dass unsere Klientin bei dem Gedanken an das Herz ihrer Tochter sicher nie eine andere vor sich sah als eine achtzehnjährige Halbarmenierin von dunklem Typ. Gewiss würde sie für einen Moment aus der Fassung geraten, wenn sie einer stämmigen, hellblonden Friesin in ihrem eigenen Alter gegenüberstand, einer erwachsenen Frau mit eigener Geschichte und eigenen Auffassungen anstatt einer Ersatztochter und Erbin. Vielleicht würde Arin Reider-Bodosian schon bei der ersten Begegnung einsehen, dass die ganze Idee ein grotesker Irrtum war.
»Es hat niemand aufgemacht und … Ich bin Nel van Doorn, das ist Max Winter.«
Die Frau nickte, die Hände um die Basttasche gelegt, und ging auf die Seitentür zu. »Was kann ich für Sie tun?«
»Wir würden uns gerne einen Augenblick mit Ihnen unterhalten«, sagte Nel. »Über Ihr Herz.«
Die Frau drückte die Tür auf. »Schreiben Sie, dass ich brav meine Medikamente einnehme und alle Kontrolltermine rechtzeitig wahrnehme.«
»Darum geht es nicht«, sagte ich.
Sie blieb stehen. »Geht es nicht um eine Untersuchung?«
»Nein, jedenfalls keine medizinische«, antwortete ich.
»Kommen Sie etwa von der soziologischen Fakultät?« Sie schaute mich an. Wir waren zu alt für Studenten. »Oder sind Sie Sozialarbeiter?«
Ich lächelte, weil ich mir manchmal wie ein Sozialarbeiter vorkam und man mir das womöglich inzwischen ansah. Die Unterwelt dagegen brauchte selten länger als eine Sekunde, um in mir den Polizisten zu erkennen. Es kam einfach darauf an, wer mich anschaute.
»Es geht um die Herkunft Ihres Herzens«, erklärte Nel.
»Ach, es kommen immer neue Doktorarbeiten und Forschungsprojekte«, sagte die Frau. »Inzwischen hat man sogar herausgefunden, dass wir kein Tüpfeljohanniskraut zu uns nehmen dürfen. Nicht dass ich das je getan hätte, aber offenbar verträgt es sich nicht mit dem Ciclosporin. Es wird viel geforscht, vor allem über die verschiedensten Formen von Abstoßungsreaktionen. Die Frage nach der Herkunft ist etwas Neues.« Sie seufzte und drückte mit der Tasche die Tür auf. »Dann kommen Sie doch einen Moment herein.«
Wir folgten ihr durch einen kleinen Flur in die ehemalige Tenne, die zu einem riesigen Wohnzimmer mit hohen Deckenbalken, offenem Kamin und einer Küche hinter
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