Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rosa

Rosa

Titel: Rosa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
Vom Netzwerk:
für ihn tun? Wollüstige Vorsitzende waren etwas für Bestsellerautoren. Der Dorfdepp kam auf ihn zu, gegen den Strom. Kars steckte den Text in sein Jackett. »Wenn wir nur noch rasch die Kleinigkeit meines Honorars regeln könnten. Wir hatten Barzahlung vereinbart, richtig?«
    »Mal sehen … Ja, Meneer Dufour?« Sie wandte sich irritiert an den Notarsanzug.
    »Ich hätte noch ein paar Fragen.«
    »Natürlich. Ich bin gleich wieder da.« Sie nickte Kars zu und watschelte zu einem Tisch an der Seitenwand, an dem der Schatzmeister eine rostige Keksdose umgedreht hatte und Geld zählte.
    »Glauben Sie, dass solch eine Zeitschrift überhaupt eine Chance hätte?«
    »Zeitschrift?« Kars drehte sich um.
    Dorfdeppen hatten rote Gesichter von der gesunden frischen Luft. Dieser sah jedoch aus, als habe er hundert Jahre bei Wasser und Brot in einem dunklen Schrank verbracht: weiße Haut, fiebrige Augen, der Fischgrät-Dreiteiler hing ihm wie ein Sack um das Gerippe. Dufour? Vielleicht war es sein eigener bester Anzug, der eines vergessenen Junggesellen, von der verarmten Hugenottenfamilie aufs Land abgeschoben. Kars schaute hinüber zum Zahltisch, wo sich der Schatzmeister und die Vorsitzende nicht darüber einig zu werden schienen, was aus der Dose heraus und in den Umschlag hinein sollte. Eine kalte Stille hatte sich über den nun fast leeren Saal gelegt.
    Der Mann räusperte sich. »Sie sagten, es bestehe Bedarf an einer Zeitschrift, in der das Gedankengut der jungen Generation …«
    »Ganz richtig.« Er hatte unter anderem über eine Schule für Europa-Parlamentarier geredet, über den Islam, Stadtrandbezirke, die Todesstrafe, Terrorismus und die Monarchie. Kars sagte: »Ich muss leider gehen.«
    Die Vorsitzende kehrte zurück, aber der Mann zupfte ihn weiter am Ärmel. »Ich würde mich gerne mit Ihnen darüber unterhalten …«
    »Wir haben ein etwas heikles Problem.« Die Vorsitzende warf einen nervösen Blick zu dem Zahltisch hinüber, von wo aus der Schatzmeister sie finster anstarrte.
    »Der Verein ist pleite.«
    Sie war wohl für Witze unempfänglich. »Bar können wir Ihnen das Honorar keinesfalls auszahlen«, sagte sie. »Wir müssen über sämtliche Ausgaben Rechenschaft ablegen, wegen der Gemeindesubventionen. Aber das ist nicht der Punkt. Mein Mann möchte die Angelegenheit erst mit dem Vorstand besprechen.«
    Vielleicht hätte er die Agrarsubventionen überspringen sollen. »Ich kann Ihnen nicht folgen«, sagte Kars. »Ihr Mann?«
    »Der Schatzmeister.« Sie errötete, als verdächtige Kars sie eines außerehelichen Verhältnisses. »Und ich bin ganz seiner Meinung.«
    »Inwiefern?«
    »Mit dieser Art von Propaganda hatten wir nicht gerechnet.«
    Kars wurde wütend. »Sie wünschten eine Lesung über das Thema Europa und die haben Sie bekommen.«
    »Über europäische Kultur. Aber Ihr Vortrag klang mehr nach ultrarechter Propaganda.«
    Kars betrachtete die Perlen um ihren dicken Hals und beschloss, sich nicht auf eine Diskussion einzulassen. »Ich will nur mein Honorar.«
    Sie holte Luft. »Der Vorstand wird darüber beraten. Ihre Kontoangaben haben wir ja, Sie hören von uns.« Ihre Augen flüchteten zu dem mageren Mann, der wie angewurzelt daneben stand. »Meneer Dufour, es tut mir leid, wir haben Vorstandssitzung, Meneer Riemers kann Sie daher doch nicht nach Hause fahren …«
    »Das riecht nach Vertragsbruch«, sagte Kars. »Sie haben keinerlei Recht dazu.«
    Die Frau hörte geflissentlich weg. »Warten Sie, vielleicht kann Meneer Kars Sie absetzen, er fährt praktisch bei Ihnen vorbei.«
    Dufour trat schüchtern von einem Fuß auf den anderen. Kars schnaubte. Die Vorsitzende wagte kaum, ihn anzusehen. »Meneer Dufour fährt nicht Auto, wissen Sie«, erklärte sie.
    Kars drehte sich um und ging mit dem Notarsanzug auf den Fersen zur Tür, ein unbezahlter Taxichauffeur für Dorfdeppen.
     
    Dufour lotste ihn aus dem spärlich erleuchteten Dorfkern hinaus. Er roch nach Kampfer. Links ab, hier nach rechts; sie irrten durch dunkle Alleen mit von Nadelbäumen umgebenen Villen, und Kars fragte sich, wie er zur Autobahn zurückfinden sollte. Dies sah nicht nach einer Wohngegend für Habenichtse aus, aber mitten in einer der Alleen verkündete Dufour: »Hier ist es.«
    Sie waren schon vorbei und Dufour griff nach dem Armaturenbrett, als Kars abrupt bremste. Er setzte zurück und hielt vor einem eisernen Gartentor in einer Ligusterhecke. Das Haus lag dreißig Meter von der Straße entfernt, eine dunkle

Weitere Kostenlose Bücher