Rosa
einer gekachelten Bar umgebaut worden war.
»Ich räume nur kurz die Sachen weg.« Die Frau forderte uns mit einer Geste auf, uns an einen langen Holztisch gegenüber den Glastüren zum Garten zu setzen, und ging um die Küchenbar herum.
»Sie haben ein schönes Haus«, sagte Nel.
»Ja. Und sehr teuer. Wir sind erst vor kurzem hierher gezogen.« Sie lachte. »Mein Mann fand die Investition lohnend, weil ich nach Meinung der Ärzte wahrscheinlich zu den fünfzig Prozent gehöre, die nach zehn Jahren noch leben. Wenn man das schafft, sind auch zwanzig Jahre drin.«
»Sie haben Ihr Herz doch Anfang 2001 bekommen?«, fragte ich.
»Ja, das neue Jahr hatte gut angefangen. Sagen Sie ruhig Barbara zu mir. Soll ich Tee kochen? Ich habe Kräutertee.« Wieder lachte sie. »Allerdings kein Tüpfeljohanniskraut, nur normalen Lindenblütentee.«
»Den mögen wir gern«, behauptete Nel.
Barbara füllte einen Wasserkocher. »Ich bin inzwischen nicht mehr so schnell bereit, an all diesen Forschungsprojekten mitzuarbeiten«, bekannte sie dann.
»Ich verstehe«, sagte Nel.
»Das bezweifle ich.« Barbara drehte den Hahn zu und schaute CyberNel an. »Das heißt nicht, dass wir unsozial sind oder so etwas. Alles, was wir uns wünschen, ist, ein so weit wie möglich normales Leben führen zu können.«
»Wir?«
»Menschen wie ich. Wir stehen unter einem enormen Druck. Manche haben es nach einer Weile so satt, dass sie ihre Medikamente nicht mehr regelmäßig einnehmen und Kontrolltermine vernachlässigen. Ich glaube, das können nur Neuherzier verstehen.«
»Neuherzier?«
»Das Wort habe ich erfunden.« Sie hantierte mit der Teekanne.
»Es tut mir leid«, sagte Nel. »Sie haben Recht, ich kann es mir wirklich nicht so richtig vorstellen.«
Barbara setzte sich auf den Lehnstuhl am Kopfende des Tisches. »Man hat das Herz eines anderen erhalten«, sagte sie. »Jemand ist für mich gestorben, jedenfalls fühlt es sich so an, vor allem in der ersten Zeit. Man ist dankbar dafür, man verdankt dieser Tatsache sein Leben, aber auf der anderen Seite will man auch nicht jede Sekunde für den Rest seines Lebens daran erinnert werden. Man versucht, es als eine Pumpe zu betrachten. Ein Ersatzteilherz, das kann man verdrängen.«
»Überlebensinstinkt«, meinte Nel.
Barbara nickte. Ich hielt wohlweislich den Mund.
»Das Frustrierende ist, dass man dennoch jeden Tag daran erinnert wird, weil nichts mehr so ist wie früher.
Alles hat sich verändert. Bevor ich an Herzproblemen zu leiden begann, war ich Mitglied der ersten Volleyballmannschaft von Ede und joggte jeden Tag drei Kilometer.«
»Welche Probleme hatten Sie denn?«, fragte Nel.
»Das Hauptproblem besteht darin, dass es kein anderes Gesprächsthema mehr gibt.« Der Wasserkocher brodelte und schaltete sich mit einem Klicken aus. »Fibrose des Herzmuskels«, sagte sie von der Küche aus. »Andere wursteln sich jahrelang damit durch, aber für mich war eine Herztransplantation die einzige Chance. Ich stand nur ein halbes Jahr auf der Warteliste.«
Sie kehrte zurück und schenkte Tee in die Gläser ein. »Du darfst dies nicht, du darfst jenes nicht«, sagte sie. »Man muss eine Diät einhalten, Untersuchungstermine, zweimal am Tag eine Hand voll Pillen mit Wasser und Orangensaft schlucken. Man wünscht sich, man wäre ein Auto mit einem Austauschmotor.« Sie wandte sich an Nel. »Der Lebenswille ist stark. Aber manchmal zweifelt man, ob man so leben will.«
Wir schwiegen eine Weile und sie trank von ihrem Tee und lachte leise, als wolle sie sich für irgendetwas entschuldigen. »Aber es geht aufwärts«, sagte sie. »Die schweren Jahre liegen hinter mir. Ich arbeite wieder, drei Vormittage die Woche in einem Maklerbüro. Wir führen eine gute Ehe, womit ich meine, dass mein Mann nicht mehr so tut, als wäre ich aus Porzellan, und wir brauchen uns auch nicht mehr anzustrengen, um das Thema möglichst zu vermeiden. Ich will nicht klagen, nur weil ich den Himalaya nicht mehr besteigen kann.«
»Es tut uns leid, dass wir auch wieder das Gespräch darauf bringen«, sagte Nel.
Barbara nickte. Die Katze sprang auf den Tisch und rollte sich neben ihrer Teetasse zusammen. »Ich weiß nichts über die Herkunft. So ist es gesetzlich geregelt und das ist auch am besten so. Die NTS darf keine Informationen über den Spender weitergeben, noch nicht einmal an meinen Arzt.« Ihre Augen verengten sich. »Sie kommen aber doch hoffentlich nicht von einer dieser Initiativen gegen Organspenden,
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