Rosa
hineinversetzen«, sagte sie. »Und ich habe immer weniger Lust, es zu versuchen. Die alte Warteliste war eine Sache, aber diese Informationen möchte ich nicht in meinem Computer haben. Es gibt ein Gesetz zum Schutz der Privatsphäre, und zwar zu Recht.«
»Wenn wir den Auftrag ablehnen, heuert sie jemand anderen an, der sich einen Haufen Geld damit verdient, die komplette Liste meistbietend an Interessierte oder die Boulevardpresse zu verkaufen.«
Sie schnaubte pikiert. »Wenn ich nicht reinkomme, kommt niemand rein. Ich mache da nur mit, wenn wir, ohne allzu viel Schaden anzurichten, diesen einen Fall lösen können. Es geht hier um Herzpatienten.« Sie nickte in Richtung Tür. »Ich frage mich immer noch, ob das wirklich richtig ist. Ich kenne diese Frau ja noch nicht mal.«
»Arin Reider?«
»Arin Reider Bodosian, genau.«
»Vertraust du meinem Urteil nicht mehr?«
»Du hast sie doch auch nur kurz kennen gelernt. Die Frau hat eine fixe Idee und sie wird einen Schock erleiden. Kannst du dir vorstellen, was sie tut, wenn sie es nicht aushält, dass das armenische Herz ihrer Tochter in einer blonden Frau ihres Alters schlägt, die lieber auf den Himalaya klettert, als Musik von Cher zu hören?«
Sie hatte natürlich auch an diesen großen Unterschied gedacht. »Cher?«
»Ihr Vater war Armenier. Außerdem ist Barbara katholisch.«
»Woher weißt du das?«
»Wer mit zweitem Namen Maria heißt, muss katholisch sein. Außerdem hängen Palmzweige neben der Tür, von Palmsonntag.« Nel mit den Fahnderaugen.
»Armenier sind christlich-orthodox, da ist eine katholisehe Erbin immer noch besser als beispielsweise eine Muslimin.«
»Das meine ich. Wir wissen nichts darüber, was es heißt, armenisch zu sein, und über diese Armenierin wissen wir nur, dass sie merkwürdig ist.«
Wir hörten die Tür. Barbara kam herein, ein Mobiltelefon in der Hand. Sie sah aus, als hätte sie einen Entschluss gefasst, allein oder gemeinsam mit jemand anderem. Sie klappte das Telefon zu, legte es auf die Bar und sagte: »Wenn Sie unbedingt ausführlicher mit mir reden wollen, werden Sie wiederkommen müssen, wenn mein Mann zu Hause ist.«
»In Ordnung.« Nel stand sofort auf und scheuchte mich mit einer gebieterischen Kopfbewegung ebenfalls von meinem Stuhl. »Danke für den Tee.«
Barbara brachte uns an die Seitentür. Ich sah das Büschel Palmzweige an der Wand der kleinen Diele, gegenüber der Garderobe. »Die Operation wurde doch im UMC vorgenommen?«, fragte ich.
»Ja.« Sie lächelte, als wolle sie ihre Zurückweisung wieder gutmachen. »Für mich hatte das neue Jahr mit großen Ängsten und einem neuen Herzen begonnen.«
Ich runzelte die Stirn. »Sie wurden an Neujahr operiert?«
»Nein, ich meine den Tag, an dem für mich das neue Jahr anfing. Das war gut eine Woche später.« Sie öffnete die Tür. »Ich bin davon ausgegangen, dass Sie das wussten.«
»Nicht das genaue Datum«, sagte ich.
»Es war der neunte, ein Dienstag.«
Nel lächelte.
Ich reichte Barbara die Hand und dankte ihr. »Wir werden Sie höchstwahrscheinlich nicht noch einmal belästigen.«
Sie wirkte überrascht und erleichtert und sonderbarerweise auch ein wenig enttäuscht. Menschen sind komplizierte Wesen.
Ich lenkte den BMW zum Deich hinauf und hielt mitten auf der Straße an. »Zeitverschwendung«, meinte ich.
»Finde ich nicht«, entgegnete Nel.
»Du hast einen ziemlich unzufriedenen Eindruck gemacht.«
Sie nickte. »Sie ist eine nette Frau, und ich hatte das Gefühl, dass wir dabei waren, ihr Leben durcheinander zu bringen.«
Wir schauten die Landstraße hinunter, die sich vor uns durch die sonnenbeschienenen Überschwemmungsgebiete zum Lek hin schlängelte. Ich fasste Nel am Knie. »Wenn deine Warteliste die richtige ist, stehen wir vor einem riesengroßen Rätsel.«
»An der Liste brauchst du nicht zu zweifeln«, sagte Nel.
»Wer ist Nummer drei?«
Sie wusste es auswendig. »Ein Mann aus Utrecht. Wir könnten ihn unter einem Vorwand anrufen und nach dem Datum fragen. Was wir auch in diesem Fall hätten tun können.«
»Sie sagte, sie habe das Jahr mit einem neuen Herzen begonnen.«
»Neujahrsempfänge werden bis in den Februar hinein gehalten.«
»Nicht in meinem Bekanntenkreis.«
»Es hätte nicht viel gefehlt, und du hättest auch noch die Millionen zur Sprache gebracht.«
Ich biss mir auf die Zunge. »Ich will mich nicht mit dir streiten. Am 4. Januar steht ein Herz zur Verfügung. Nummer eins auf der Liste ist
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