Rosa
schon, wenn das Spenderherz kaum herausgenommen ist und noch die Kreuzprobe wegen eventueller Abstoßungsreaktionen durchgeführt werden muss. Diese Methode bezeichnet man als Cross-match. Normalerweise müssten Sie darüber informiert sein.«
»Das Herz war ungeeignet, aber man hat uns nicht gesagt, warum.«
»Das hat etwas mit dem Datenschutzgesetz zu tun, aber es kann viele Gründe dafür gegeben haben. Zum Beispiel, dass der Spender Drogen nahm oder Medikamente gegen Herzbeschwerden oder hohen Blutdruck. Es ist immer tragisch, aber es kommt öfter vor, dass ein Kandidat im letzten Moment erfährt, dass die Operation nicht stattfinden kann. Das ist leider unvermeidlich.«
»Das hat man uns auch erklärt. Geht es darum?«
»Ja, Mevrouw. Ich untersuche anhand der Wartelisten der letzten fünf Jahre, ob die Patienten und Angehörigen ausreichend informiert wurden oder ob es Klagen wegen mangelnder Aufklärung gegeben hat. Es ist Thema meiner Staatsexamensarbeit.«
»Nun, dann schreiben Sie, dass wir durchaus verstanden haben, dass eine Operation nicht möglich war, obwohl wir gerne Näheres gewusst hätten. Möchten Sie meine Schwester auch noch befragen?«
»Nein, ich glaube, das ist nicht nötig, Mevrouw. Vielen Dank, dass Sie bereit waren, mir zu helfen.«
Sie schwieg einen Augenblick. Dann sagte sie: »Es bringt uns Fred nicht mehr zurück, aber Eis und ich haben uns beide als Spenderinnen registrieren lassen.«
»Das sollte jeder tun«, sagte ich. »Vielen Dank, Mevrouw.«
Ich roch die Forellen, eilte zum Elektroherd, um Saft über die gebräunten Rücken zu löffeln, und hoffte, dass sich niemand nach Willem Hofstra an der Utrechter Universität erkundigen würde. Ich deckte den weißen Küchentisch. Als wir nach Hause gekommen waren, war CyberNel sofort in ihrem Heuschober verschwunden, um sich per Telefon und mit ihren Computern an die Arbeit zu machen, und, wie ich vermutete, auch noch kurz in Groningen anzurufen.
Ich hatte einen Muscadet im Kühlschrank, öffnete eine Dose Erbsen und Möhren als Beilage zu den Forellen und wärmte sie in einer Glasschüssel in der Mikrowelle auf. Ich suchte im Küchenschrank nach einer Vorspeise und fand eine Dose Schellfischleber, die ich über Salatblättchen auf zwei provenzalischen Keramiktellern verteilte und mit ein wenig Fischöl beträufelte. Ein paar Tröpfchen Zitrone, etwas Selleriesalz. Selleriesalz passt gut zu Schellfischleber. Brötchen in den Elektroofen. Mineralwasser. Der gedeckte Tisch sah gut aus.
Ich nahm die Zeitung zur Hand. Die Welt arbeitete noch immer eifrig an ihrem Untergang: diverse Nachkriegstumulte im Irak, Blutvergießen in Israel und Afrika, nukleares Schachspiel von Korea-Kim und Touristen, die an verschiedenen Küsten durch Öl aus geborstenen Uralt-Tankern wateten. In den Niederlanden gewann Ajax Amsterdam, wie es sich gehörte. Forschungen hatten ergeben, dass das Gehirn beim Fernsehen auf Sparflamme schaltet und dass Lesen besser ist. Der alte Mandela behauptete, die Weltpolizei würde von einer Person geführt, die kaum denken, geschweige denn vorausschauend planen könne. Das einundzwanzigste Jahrhundert musste bis auf Weiteres ohne Figuren mit genügend Verstand und Charisma zurechtkommen, die wirklich etwas hätten ändern können. Es war nicht schwer, sich auf dem Laufenden zu halten, obwohl es Mode wurde, sich aus allem herauszuhalten und den Kopf in den eigenen Quadratzentimeter Sand zu stecken. Die Bastille war schon erstürmt worden und auch das hatte nicht viel mehr gebracht als eine Menge Bürokratie und einen seltsamen Kalender.
Im Westen nichts Neues.
CyberNel kam mit verschiedenen Papieren in der Hand in die Küche und sagte: »Das riecht aber gut.«
»Das ist der Schweiß des Kochs.« Ich servierte die warmen Brötchen, stellte den Muscadet in den Kühler und setzte mich ihr gegenüber. Sie wollte zuerst Wasser, dann Wein.
»Irgendwie werde ich das merkwürdige Gefühl nicht los, dass wir Rosas Herz nie finden werden«, sagte ich.
»Darüber würde ich mir keine Sorgen machen.«
Nel kostete meine Vorspeise. »Ganz nett, für Schweißfüße.«
Jenseits der offenen Fenster lag der Sommerabend. Ein Frosch quakte im Wassergraben unter den Pappeln. »Wie geht’s denn so in Feerweerd?«
»Die beiden machen sich nützlich. Sorry weckt Bohnen ein und Hanna flickt Fahrradschläuche.«
»Ich dachte, ihr Großvater hätte sich zur Ruhe gesetzt.«
»Ein echter Fahrradmechaniker geht nie in den Ruhestand.
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