Rosa
Rijnstraat in Richtung Brücke. Eine Straßenbahn überholte uns, Taxis schlüpften in ihr Fahrwasser. Nel blieb brav in der langsameren Schlange. »Ich hoffe, du kannst deine ganzen Berufe noch auseinander halten«, sagte sie. »Und lass deine Hände bei dir.«
Ihre Beine gingen auseinander und ihr Schenkel war weich unter dem Kunststoff ihres Rocks. »Konzentrier du dich aufs Fahren.«
»Der Junge verliert seine Wohnung, hast du daran mal gedacht?«
»Dann springst du als Steuerprüferin ein und belehrst die Vermieterin eines Besseren.«
Ich hielt mit der freien Hand einen Stadtplan auf den Knien. Man konnte nur von einer Seite in die Hoendiepstraat einbiegen. Langsam fuhren wir hindurch. Es war eine ruhige Straße mit Gestängen auf den Treppenstufen, an denen man die Fahrräder anketten konnte, Anwohnerparkplätzen, und am Ende standen die Bäume des Martin-Luther-King-Parks am Amstelufer.
Laackens Fahrrad war vor Nummer 34 nicht zu sehen. Dazu hätte er auch einen Geschwindigkeitsrekord brechen müssen.
Nel hielt ein Stück weiter an. Freie Parkplätze gab es genug. Es war eine friedliche Gegend, so ruhig, wie es in der Stadt nur sein konnte, mit Vögeln und Grün statt Junkies und Müll. Ich kurbelte mein Fenster herunter und verstellte den Seitenspiegel, um Nummer 34 und den Bürgersteig davor beobachten zu können.
»Mir sind Leute suspekt, die den Tag mit Räuchermakrele beginnen«, sagte Nel, »aber ich habe wirklich keine Reaktion auf den Namen Victor de Vries an ihm bemerkt.« Sie nahm meine Hand zwischen ihren Schenkeln weg, legte sie auf ihren Schoß und hielt sie fest.
Ich schaute in den Spiegel. »Es war mehr so ein Gefühl.«
»Könnte es sein, dass wir uns mit etwas beschäftigen, was nichts mit unserem Auftrag zu tun hat?«
»Jemand ruft Victor an und gibt ihm die Adresse von Dufour. Er schreibt sie auf«, sagte ich. »Keine Telefonnummer, nur die Adresse. Und er reißt den Zettel ab, wahrscheinlich, um ihn einzustecken. Woran denkst du dabei?«
»Da musst du hin, oder: Wir treffen uns dort, dann und dann?«
»Zum Beispiel.« Mir fiel etwas ein. »Es war schwer zu finden. Ich musste überall fragen und anhalten, um Schilder zu lesen. Wenn Victor am Samstagabend dort war, musste er das auch tun, und dann erinnert sich vielleicht jemand an ihn. Otterlo ist ein kleines Dorf.«
»Es sei denn, ein Komplize hat das Haus schon vorher ausgekundschaftet, oder sie haben sich an einem einfacheren Treffpunkt verabredet. Konntest du erkennen, ob es sich um einen oder mehrere Täter gehandelt hat?«
»Nein, ich weiß nicht, das Ganze war ziemlich merkwürdig. Aber wenn sie zu zweit waren und sich irgendwo anders trafen, brauchten sie Victor die Adresse nicht zu geben.«
Nel lächelte. »Jetzt hast du mich erwischt«, sagte sie leise.
»Er fährt einen blauen Nissan, der könnte jemandem aufgefallen sein, aber wenn ich diese Dinge meinem Polizistenfreund erzähle, werfen wir Victor den Wölfen zum Fraß vor. Das können wir nicht machen.«
»Wenn Laacken hierher gewollt hätte, wäre er längst angekommen«, bemerkte Nel.
Ich nickte. »Dann lass uns mal nachschauen gehen.«
Sie öffnete die Fahrertür. »Als was? Die Heilsarmee?«
»Europäer.« Ich schloss das Auto ab und wir spazierten über den Bürgersteig die paar Meter zurück.
»Du brauchst hier entweder einen Anwohnerausweis oder einen Parkschein aus dem Automaten am Anfang der Straße«, sagte Nel.
»Ach, die Politessen haben im Zentrum genug zu tun.«
Sie nickte. »Ich glaube, mir ist es lieber, wenn du das übernimmst«, sagte sie, als wir vor Nummer 34 standen.
Eine Frau um die fünfzig öffnete. Sie sah aus wie eine Italienerin, mit einem breiten Mund und langen dunklen Haaren, die im Nacken mit einem Band zusammengehalten wurden. Sie musste einmal auffallend schön gewesen sein, doch jetzt wirkte sie erschöpft und ihr schwarzes Haar war von grauen Strähnen durchzogen. Sie hielt die Tür fest.
»Mevrouw Kars?«
Sie nickte.
»Mein Name ist Winter, das hier ist meine Assistentin. Ist Ihr Mann zu Hause?«
»Nein«, antwortete sie. »Im Übrigen ist er nicht mein Mann, falls Sie Bram meinen.« Sie hatte eine schöne Altstimme mit einem leicht metallischen Klang.
»Aber er wohnt doch hier?«
»Worum geht es?«
»Um eine neue Zeitschrift, Europa.«
Wenn sie glaubte, dass wir ihr ein Abonnement andrehen wollten, wären wir rasch fertig, aber sie nickte. Sie wusste von Europa. »Dann werden Sie mit ihm persönlich sprechen
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