Rosa
Zeitung allerdings wohl eher brav und christlich.«
»Ich habe Fotos aus der Kolonialzeit im Haus gesehen«, sagte Nel. »Als Niederländerin denkt man natürlich an Indonesien, aber es war also der Kongo?«
Van Zomeren nickte. »Louis’ Vater besaß Kaffeeplantagen in Belgisch-Kongo und auch eine Diamantmine.« Lächelnd fuhr er fort: »Ich sehe Ihnen an, was Sie denken, aber auch von der Seite gibt es kein Vermögen. Im Gegenteil, das Einzige, was sie aus dem Kongo retten konnten, war ihr nacktes Leben.«
»War Louis bei den Aufständen im Kongo dabei?«, fragte Nel. »Aber das war Ende der Fünfzigerjahre, und da hat er hier doch diese Zeitschrift gegründet?«
Der Notar nickte. »Er kehrte wieder zurück. Ich habe das ein oder andere für den Brigadier aufgeschrieben.« Er zog eine grüne Stoffmappe zu sich hin, öffnete sie und setzte eine Lesebrille auf. »Louis wurde 1908 im Kongo geboren. Sein Vater Henri war Belgier, er besaß Plantagen außerhalb des damaligen Katanga, in der Provinz Kasai. Außerdem war er Miteigentümer einer Diamantmine, aus der übrigens in erster Linie hochwertige Industriediamanten gefördert wurden. Louis hatte offenbar keine große Lust, Kaffee anzubauen, sondern wollte Journalist werden und kam als junger Mann von 23 Jahren in die Niederlande. Er fand eine Lehrstelle in der Redaktion von Het Centrum, einer alteingesessenen katholischen Tageszeitung in Utrecht, die es schon lange nicht mehr gibt. Er heiratete eine Niederländerin, Mathilde, ein Mädchen, das nach seiner Geburt zur Adoption freigegeben wurde und seine Eltern nie gekannt hat. 1937 bekamen sie einen Sohn, Hendrik. Louis verdiente nicht viel und war auf die Unterstützung seines Vaters angewiesen, um die Villa hier in Otterlo kaufen zu können. 1955 war er an der Gründung dieser Zeitschrift beteiligt. Als auch daraus nichts wurde, kehrte er 1956 mit seiner Frau und seinem Sohn zurück in den Kongo. Hendrik war damals 18, er war Niederländer und erhielt vor ihrer Abreise sogar noch seinen Einberufungsbefehl zum Militär, aber er wurde für untauglich erklärt.«
»Warum?«, fragte Nel.
»Er wurde damals, glaube ich, S5 gemustert, bedeutete das nicht so etwas wie seelisch labil? Hendrik war zwar kein Genie, aber meiner Meinung nach ganz vernünftig, vielleicht passte er einfach nicht ins Bild. Wie dem auch sei, sie gingen in den Kongo, wo damals schon chaotische Zustände herrschten. 1959 kam es zu den bis dahin blutigsten Aufständen gegen die belgischen Herrscher und sie setzten sich bis zur Unabhängigkeit am 30. Juni 1960 fort. 1959 wurden die Dufour-Plantagen verwüstet und die ganze Familie einschließlich Mathilde wurde ermordet. Louis und sein Sohn hielten sich in der Stadt auf, und es gelang ihnen, mit einigen Koffern und den Kleidern, die sie am Leib trugen, mit dem Zug zu entkommen, der später durch den Film Der letzte Zug aus Katanga berühmt wurde. Das meinte ich damit, dass sie nur ihr nacktes Leben retteten.«
Er nickte Nel zu, die einen Block aus ihrer Tasche gezogen hatte und sich Notizen machte.
»Louis besaß die Villa hier und dahin kehrten er und sein Sohn schließlich zurück. Louis verdiente mühsam seinen Lebensunterhalt mit Artikeln über die Kolonialgeschichte und sein Sohn fand eine Stelle bei der Post in Oosterbeek. Louis starb 1980. Hendrik war damals 42, er hat nie geheiratet. Ich denke manchmal, dass er vielleicht homosexuell war und nicht damit umgehen konnte. Solche Neigungen hängte man in den Sechzigerjahren nicht an die große Glocke, hier auf dem Dorf in der Veluwe. 1993 wurde er wegen Rückenproblemen krankgeschrieben und dann deswegen in Frührente geschickt. Das war im Grunde alles.« Er schloss die Mappe, spreizte die Hände und lächelte ironisch. »Die Geschichte des Louis-Dufour-Hauses.«
12
Einbrecher sind Nachtmenschen. Sie müssen nicht ins Büro oder in die Fabrik und sind um neun Uhr morgens zu Hause.
»Meneer van Nool«, begann ich, doch die Vogelscheuche, die nach langem Warten aufgemacht hatte, war zu alt und steif, um an Fassaden und Balkonen hinaufzuklettern, und konnte höchstens sein Vater sein. Er hatte ein rot geädertes Gesicht auf einem dünnen Hals, der aus einem schwarz-weiß gestreiften Hemd hervorragte. Die Ärmel waren aufgerollt, als sei er allzeit bereit, eine Maurerarbeit wieder aufzunehmen, obwohl er dabei wahrscheinlich nach zehn Minuten umgefallen wäre. Seine Hose war ihm zu groß und schlabberte um ihn herum, sodass er sie mit
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