Rosa
gemahnte mehr an Einzelhaft. Kein Wunder, dass Siroun Ausreden erfand, um aus dem Haus zu kommen, um irgendwo anders das Leben von Rosa führen zu können und schwanger zu werden.
13
Betty öffnete nicht sofort. Ich musste viermal klingeln. »Was ist denn?«, rief sie gereizt, und als sie mich erkannte: »Oh, shit!«
Ich stieg hinauf. Sie stand oben an der Treppe, hielt diesmal mit einer Hand einen hastig übergeworfenen, schwarzseidenen chinesischen Peignoir zusammen, der so kurz war wie das Gedächtnis einer Fruchtfliege. »Max, ich kann dich jetzt wirklich nicht gebrauchen.«
»Herrenbesuch?« Es war um die Mittagszeit, Betty im Morgenmantel, mit offenbar nichts darunter.
»Was willst du?«
»Nur mit dir reden.«
»Er muss um Viertel nach eins weg, wenn du also danach kommst …«
Ich blieb drei Stufen unter ihr stehen und dämpfte meine Stimme. »Wer ist er?«
»Ein Freund.«
»Der mit dem Scheißjob?«
»Max, bis gleich.«
Ich hob die Hand und ließ sie in Ruhe. Viertel nach eins. Ich wanderte durch das Viertel und betrat einen Schnellimbiss, trank eine Tasse Kaffee und aß ein Shoarmabrötchen. Viel koscheres Fleisch, stark gepfeffert, man kann das ungefähr einmal im Jahr vertragen.
Um Viertel vor eins stand ich an der Ecke der Dwarsstraat und beobachtete Leute, die auf dem Weg zurück zur Arbeit ihr Fahrrad bestiegen, eine recht abgespannt wirkende Frau, die einen XXL-Kinderwagen mit heulenden Zwillingen schob, und einen mageren Mann, der schräg gegenüber aus Bettys Haustür trat, scheue Blicke um sich warf und zu Fuß in Richtung Gracht verschwand.
Er war über fünfzig, trug eine braune Aktentasche und hatte eine Hakennase sowie langes, fast ergrautes Haar, das im Nacken mit einem Gummi zusammengebunden war. Ich hatte ihn noch nie zuvor gesehen.
Ich gab Betty ein paar Minuten, um sich herzurichten, bevor ich erneut bei ihr klingelte. Sie erwartete mich in einer orangefarbenen Hose, einem T-Shirt mit interessanter Passform um den Busen, frisch gekämmten Haaren und einem Hauch Orange auf den Lippen.
»Heimarbeit?«, fragte ich.
Sie schnaubte. »Willst du mich ärgern?«
Ich folgte ihr in das rosa Wohnzimmer. Die Glastür war geschlossen, das Fußbodenbett dahinter mehr oder weniger zurechtgemacht. Keine benutzten Tassen auf dem Tisch, zum Kaffeetrinken war der Besuch nicht gekommen.
»Es ist nicht das, was du denkst«, erklärte sie geziert. »Das war dieser Verleger, er ruft hin und wieder an und fragt, ob er vorbeikommen kann.«
Wie, nicht das, was ich dachte? »Der verheiratete Buchverleger?«
»Wir haben jetzt eine andere Vereinbarung«, sagte sie.
Ich lachte. »Hauptsache, du kriegst dein Geld.«
»Eben, also was soll’s. Ich habe keinen Job, aber trotzdem Rechnungen zu bezahlen. Hast du Victor gefunden?«
»Nur deinen Exmann, in Amsterdam-Noord. Der weiß nicht, warum Victor Angst vor ihm haben sollte, und ich glaube, er sagt die Wahrheit und du weißt das ganz genau.«
Betty ließ sich auf das orangefarbene Sofa sinken. »Was willst du damit sagen?«
»Cor hat letzte Woche Dienstag spätnachts mit ihm telefoniert. Victor hatte einen Plan, der viel Geld einbringen sollte und den er zusammen mit Cor durchziehen wollte. Dadurch wollte er zugleich seine Schulden einlösen. Sie verabredeten sich für den nächsten Tag, Mittwoch. Victor tauchte nicht auf und seitdem ist er spurlos verschwunden. Da ist also was anderes im Busch.«
Sie starrte mich an. »Davon weiß ich nichts.«
»Natürlich nicht. Ich weiß nicht, ob Victor es allein getan hat, aber ich bin mir sicher, dass dieser Plan, von dem er redete, etwas mit Otterlo zu tun hatte. Und mit einem alten Mann, Hendrik Dufour.«
Sie schüttelte den Kopf. »Woher willst du das wissen?«
»Warum hätte die Adresse Dufours sonst in Victors Zimmer liegen sollen, unter seinem Telefon?«
Sie erstarrte. »Hast du das der Polizei erzählt?«
»Noch nicht.«
Ich sah ihr an, dass sie nervös und unruhig wurde. »Victor würde niemals jemanden ermorden«, behauptete sie. »Ein Einbruch, ja, aber so was …« Wieder schüttelte sie den Kopf. »Er könnte es schon rein körperlich nicht.«
»Dann hilf mir, verdammt nochmal!« Ich wurde ärgerlich.
Sie verheimlichte mir etwas. Schon beim letzten Mal hatte sie auf den Namen Dufour reagiert und es hinter der Empörung darüber verborgen, dass ihr Bruder angeblich zu einem Mord fähig sein sollte. »Ein gelbes Feuerzeug mit einer Disney-Ente drauf. Sagt dir das etwas?«
Sie schaute
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