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Rosa

Rosa

Titel: Rosa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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vielleicht fiel ich unter geschäftliche Angelegenheiten, obwohl es doch kaum etwas Privateres geben konnte als die Suche nach dem Herz einer Tochter.
    Statt mit Handschlag wurde ich lediglich mit einem distanzierten Nicken und einem Wink zum Konferenztisch begrüßt. Arin trug wieder eines dieser langen Kleidern in demselben Retrostil, diesmal in einem nachtblauen Stoff, in dem bei jeder Bewegung hellere Indigotöne glänzten. Sie hatte ihr langes Haar im Nacken zusammengebunden und es lag dick und dunkel auf ihrem Rücken. Ihre Augen flackerten unruhig.
    »Ich habe bereits seit einer Woche nichts mehr von Ihnen gehört«, sagte sie.
    »Es gab nichts zu berichten«, erwiderte ich. »Victor ist schwer zu finden, es könnte sein, dass er untergetaucht ist. Henri sagte etwas von einer Programmänderung?«
    »Finden Sie ihn oder soll ich jemand anderen beauftragen?«
    Das klang Unheil verkündend. »Natürlich finde ich ihn«, erwiderte ich. »Man kann jeden finden, erst recht jemanden mit einem Spenderherzen.« Tot oder lebendig.
    Arin spitzte die Lippen. »Die Programmänderung besteht darin, dass ich bereits in zwei Wochen nach Armenien reise, ich kann nicht bis September warten. Können Sie diesen Mann bis dahin aufspüren?«
    Diesen Mann. Ich machte mir Gedanken über die veränderte Atmosphäre. »Wenn ich Victor bis nächste Woche nicht gefunden habe, muss ich annehmen, dass ihm etwas Ernstes zugestoßen ist«, sagte ich.
    »Etwas Ernstes?«
    »Menschen mit einem Spenderherzen leben gefährlich.«
    Ich erkannte, dass ihr der Ausdruck Spenderherz gegen den Strich ging. »Falls es doch länger dauern sollte und ich schon weg bin, können Sie seinen Aufenthaltsort und weitere Informationen auch Henri mitteilen«, sagte sie schroff.
    »Und was fängt Henri damit an?«
    Ihr Blick sagte mir, dass mich das nichts anging, aber sie wollte mich nicht vor den Kopf stoßen. Ihre Stimmungen schienen so wechselhaft wie die Farbe eines Chamäleons. »Henri leitet sie an einen armenischen Bekannten weiter. Der wird sich weiter um die Sache kümmern.«
    »Wäre es nicht einfacher, wenn ich mich direkt an den Bekannten wenden würde?«
    »Mir ist es lieber so«, entgegnete sie.
    Wir schwiegen einen Augenblick. Ich erkannte, dass sie die Unterhaltung beenden wollte. Das hätte sie mir auch am Telefon sagen können.
    »Was für ein Mensch war Siroun?«, fragte ich.
    Ich hoffte, sie mit dem armenischen Namen milder zu stimmen, doch sie blieb zunächst abweisend. »Warum wollen Sie das wissen?«, fragte sie.
    »Fällt es Ihnen schwer, über sie zu sprechen?«
    Sie faltete die Hände. »Natürlich nicht.«
    »Hatte sie viele Freundinnen?«
    »Ein paar. Anfangs brachte sie manchmal Klassenkameradinnen mit nach Hause, aber auf der höheren Schule ging sie meistens zu ihnen, um Schulaufgaben zu machen und so weiter.«
    »Wie war sie in der Schule?«
    »Gut.« Sie biss die Zähne zusammen und gestand: »Nun ja, mittelmäßig, muss ich zugeben. Sie war wirklich kein Genie, das war … Ich stamme aus einer Familie von hoch begabten und überaus intelligenten Menschen. Das fehlte ein wenig bei Siroun.«
    »War das eine Enttäuschung für Sie?«
    »Sie war meine Tochter. Sie besaß andere Qualitäten.«
    »Ging sie gern in Museen?«
    »Das ist aber eine merkwürdige Frage.« Arin runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Nicht aus eigenem Antrieb, aber als sie jünger war, nahm ich sie mit, auch in Konzerte. Sie mochte die französischen Impressionisten.«
    »Ich würde mir gern ihr Zimmer ansehen.«
    Das brachte sie aus der Fassung. »Warum?«
    Ich lächelte. »Aus reiner Neugier, aber ich werde nicht darauf bestehen, wenn es Ihnen unangenehm sein sollte. Oder ist es schon seit langem neu eingerichtet?«
    »Ich habe nichts daran verändert. Ihre Kleider habe ich dem Roten Kreuz gegeben, das ist alles.«
    Ich schaute auf die Uhr. »Es bleibt noch ein wenig Zeit vor Ihrer Verabredung zum Mittagessen, wenn es Ihnen also recht ist …«
    Ich gab ihr die Chance, abzulehnen, doch sie erhob sich mit einem Seufzer von ihrem Stuhl. »Dann kommen Sie mal mit.«
    Henri erschien, sobald sie die Tür zum Flur öffnete. Sie gab ihm flüchtig ein Zeichen und führte mich bis ans Ende des Ganges und durch eine breite Glastür in eine mit Stoff ausgekleidete Diele mit Toilette, von wo aus eine Treppe ins oberste Stockwerk führte. Ich sah durch die Glasscheibe, dass der Hausdiener hinten im Flur stehen geblieben war.
    Arin wusste, was sich gehörte, und

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