Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)
ab.«
»Ich auch«, sagte Janie. »Ja, ich glaube, in meinem nächsten Buch wird der Mörder kahl sein.« Sie dachte kurz nach. »Und es wird eine Frau sein. Eine kahlköpfige Frau. Das wird eine gute Recherche für mich. Ich hole die Schere.«
Wir verloren nicht viel Zeit.
Dad kam, um Henry zu besuchen, und wir berichteten ihm, was wir vorhatten. »Zählt mich dazu«, sagte er sofort.
Cecilias Töchter wurden von einer Nachbarin vorbeigebracht, als sich Cecilia gerade ein rosa Handtuch um die Schultern legte. Ich hielt die Schere und den Rasierer bereit.
»Schneidest du Mom die Haare?«, fragte Kayla. Sie trug einen wunderschönen Sari in Orange und Gold. Ich fragte sie nicht, was es damit auf sich hatte.
»Genaugenommen werde ich sie kahlscheren«, sagte ich.
»Cool«, sagte Kayla und bekreuzigte sich.
»Ja, endcool«, fügte Riley hinzu und drehte sich ein Haar um den Finger. Sie trug ein T-Shirt mit den Aufdruck E=MC² und ein rotes Kopfband, das ihre zunehmende Kahlheit kaum verbergen konnte.
Sie überlegten. »Warum?«
»Weil sich euer Onkel Henry schämt, kahl zu sein, und nicht aus seinem Zimmer kommen will, darum scheren wir unsere Köpfe, damit er sein Leben weiterführt«, sagte ich.
»Krass«, sagte Kayla. »Wie die Mönche. Ich mach mit.«
»Ich auch«, sagte Riley, riss sich ein Haar aus, betrachtete es und ließ es zu Boden fallen. »Ich liebe die Schwerkraft«, murmelte sie.
Ich hielt die Schere hoch. »Ihr braucht das nicht zu tun«, sagte ich. »Wir sind Henrys Schwestern …«
»Und, soll das etwa heißen, wir gehören nicht zur Familie?«
Kayla hatte so eine schnelle Auffassungsgabe.
»Dass wir nicht wichtig sind, weil wir jung sind und nicht alt?«
Riley begriff genauso schnell.
Ich nahm ihr die Sache mit dem »alt« nicht übel. »Nein …«
»So klingt das aber«, sagte Kayla. Ihr Sari raschelte. »Es klingt, als dächtest du, wenn wir uns die Köpfe kahlscheren, hätte das keine Bedeutung.«
»Als wäre unsere Beziehung zu ihm weniger wert.« Riley reckte das Kinn vor.
»Ihr müsst immer streiten«, sagte Cecilia. »Immer. Müsst ihr immer streiten? Tante Isabelle hat doch nur gesagt, ihr müsstet eure Köpfe nicht kahlscheren. Ihr seid noch jung.«
»Henry ist im Herzen auch ein Kind, und er hat all sein Haar verloren.«
»Genau.«
»Also wollen wir das auch machen«, sagte Riley. »Ich reiß mir dauernd das Haar aus, weil ich so genervt bin. Ich hasse mich. Wenn ich mir den Kopf kahlrasiere, kann ich mich nicht mehr hassen, stimmt’s?«
»Du solltest dich überhaupt nicht hassen, Herzchen«, sagte ich zu ihr. Alle Bommaritos haben einen Sprung in der Schüssel. Außer Henry.
»Wir machen es für Henry«, sagte Kayla.
»Genau, für Henry.«
Janie schniefte. »Oh! Ich liebe euch beide! Ihr seid echte Bommaritos!« Sie drückte die Mädchen an sich.
»Ihr seid wunderbare junge Damen«, sagte Dad.
»Äh, Grandpa, fängst du wieder an zu heulen?«
»Nein«, schluchzte Dad. Für einen mannhaften Mann, großgewachsen und kräftig, für sein markantes Gesicht, das durchaus einschüchternd wirkte, war er sehr gefühlsbetont. Ich wischte ihm eine Träne von der Narbe. Er schien erstaunt über meine Geste, was erneut die Tränen fließen ließ.
Cecilia sagte verwundert: »Verdammte Hacke, ich glaub, ich hab tatsächlich gute Kinder großgezogen.«
Ich drückte die Mädchen an mich. Als Familie sind wir voll durch den Wind, und sie machen mich alle wahnsinnig, aber ich liebe sie. Ehrlich.
Selbst Momma, diese gemeine, fiese Natter, die nicht mehr gemein gewesen war, seit sie die Kaffeetassen hatte fliegen lassen.
Wir legten uns rosa Handtücher um die Schultern und machten uns für den Rasierer bereit.
»Wir sollten alle ein bisschen vom Haar der anderen rasieren«, sagte Riley. »Ihr wisst schon, so familienartig.«
»Genau. Und jede kann beten oder tanzen oder johlen, wie’s ihrer Religion entspricht«, fügte Kayla hinzu.
»Dann mal los«, sagte ich kampfeslustig. »Rasierer bereit? Auf die Glatzen!«
»Auf die Glatzen!« Wir prosteten uns zu, Scheren, Rasierer und Fäuste in die Luft gestreckt wie Champagnergläser.
Und dann legten wir los. Die Geräte summten und schnurrten, während wir uns gegenseitig die Köpfe rasierten. Zuerst fuhren wir quer über den Scheitel und lachten, weil wir aussahen wie Stinktiere. Dann kamen kahle Streifen zu beiden Seiten. Erst überlegten wir, ob wir es so lassen sollten, aber nein, es musste ratzeputz alles ab.
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