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Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)

Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)

Titel: Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
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möglicherweise eine Langzeitpflege für sich selbst benötigte, falls sie die Krankheit geerbt hatte.
    Netter Traum, netter Gedanke, aber die Realität war: Die Einkünfte aus Mommas Bäckerei hätten nicht mal eine Eichhörnchenfamilie ernährt. Ja, sie hätten nicht mal ein einziges Eichhörnchen auf Fastenkur ernährt.
    Momma war pleite.

    Ich habe vielleicht schon erwähnt, dass es für uns als Familie nichts Neues war, pleite zu sein.
    So hatten wir unser ganzes Leben verbracht, nachdem Dad verschwunden war.
    Eines Winters, als Momma noch strippte und wieder mal in ein schwarzes Depressionsloch fiel, erreichten wir einen neuen Grad der Verzweiflung. Ihre Depression dauerte zwei Monate lang. Momma verlor ihren Job und wollte das Bett nicht mehr verlassen, bis ihr die Haare irgendwann wie Klebstoff am Kopf hingen.
    Wir backten und backten, wie wir es schon vor Jahren getan hatten, und benutzten dabei die Rezeptbücher unseres Dads, folgten seinen am Seitenrand notierten Anweisungen.
    Ich konnte meinen Dad fast spüren, während ich siebte, schnibbelte, schmolz, glasierte und rührte, konnte seine Stimme hören, seine Ermutigungen, alles perfekt zu machen. »Das Leben ist nicht perfekt, Mädchen, aber alles, was ihr in der Küche macht, kann perfekt sein. Sie bietet Momente von Ordnung und essbarer Kunst in einem Leben voller Unordnung und Chaos.«
    Wir backten mehrschichtige Zitronenkuchen, Pfefferminzriegel, Kürbis-Käse-Kuchen und was es sonst noch gab, so wie unser Dad es uns beigebracht hatte, aber es war nicht genug, um die Rechnungen zu bezahlen.
    An einem regnerischen Tag wurden wir zum fünften Mal zwangsgeräumt. Unser neues Zuhause war unser Auto, ein alter Ford, eine lange, schwarz-grüne Kiste. Alles, was wir besaßen, hatte bequem im Kofferraum Platz.
    »Wir besorgen uns einen Wohnwagen«, sagte Momma eines Abends mit unsicherer Stimme zu uns, während wir hinter dem Haushaltswarenladen standen und auf dem Rücksitz Popcorn zum Abendbrot aßen.
    Ein Wohnwagen hörte sich nicht schlecht an. Vielleicht hätte der auch eine Toilette. Wir wuschen uns morgens vor der Schule auf Tankstellen, aber es ist nicht leicht, sich die Haare in einem Tankstellenwaschbecken zu shampoonieren. Unsere Kleider wurden immer dreckiger, wir hatten keine Münzen für den Waschsalon.
    Janie hatte einen Schuh verloren und trug daher zwei verschiedene. Henry war unruhig, hatte Wutanfälle und machte sich gelegentlich in die Hose.
    Janies Migräneanfälle wurden stärker, Cecilias Ausschlag verschlimmerte sich, und Henrys allgemeine Gesundheitsprobleme vervielfältigten sich.
    »Wir brauchen einen Wohnwagen für den Winter«, sagte Momma. »Es wird kalt. Wir stellen ihn in den Wald und spielen Pioniere, nur ohne Zugochsen. Das wird lustig.«
    »Wird nicht lustig«, sagte Henry. »Im Wald ist es dunkel. Unheimlich.«
    Ich griff nach seiner Hand.
    »Im Wald sind Geister. Unheimliche Geister«, sagte er.
    In der Nacht, als Momma uns den Wohnwagen besorgen wollte, fuhren wir tief in den Wald hinein. Es wurde immer dunkler, die Bäume wurden zu einer knorrigen Masse, der Mond war verschwunden, selbst er hatte wohl Angst, bei uns zu bleiben. Die Straße verwandelte sich in eine Schotterpiste, dann in einen unbefestigten Weg, es wurde immer holpriger.
    Momma war bis in die Fingerspitzen verkrampft vor Angst. Das merkte ich daran, wie sie das Steuer umklammert hielt und die Lippen fest zusammenpresste, aber ich konnte auch spüren, wie ihre beinahe lähmende Furcht um uns herumwirbelte.
    »Wo fahren wir hin?«, fragte ich, und meine Angst kribbelte am ganzen Körper.
    »Wir fahren zu dem Haus eines Mannes, den ich von der Arbeit kenne. Und jetzt seid still.« Sie atmete aus, atmete ein, atmete aus. »Mehr braucht ihr nicht zu wissen.«
    Henry wimmerte. »Was ist, Momma, was ist? Ich hab Angst.«
    Janie begann zu zählen, Cecilia trank glucksend eine Limo, die wir am Abend im Supermarkt geklaut hatten. Uns blieb nichts anderes übrig, als Lebensmittel zu klauen. Weil Janie dabei weinte und hyperventilierte, übernahmen Cecilia und ich das Klauen. Wir weinten und hyperventilierten nur innerlich.
    »Nichts ist, Henry«, fuhr Momma ihn an.
    »Wann fahren wir zu dem Platz hinter dem Laden zurück, um zu schlafen?«, wimmerte Janie.
    »Seid still jetzt und hört auf, Fragen zu stellen«, fauchte Momma. Ihre Furcht legte sich über das Auto wie eine zähflüssige Ölschicht. Sie bog um eine Kurve, kam fast ins Schleudern und hielt nur wenige

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