Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)
Meter vor einem halbverfallenen Schuppen.
Sofort trat ein Mann auf die Veranda. Ich konnte ihn im gelben Verandalicht sehen. Er war klein und stämmig und hatte ein paar Haare über eine kahle Stelle gekämmt. Seine Gesichtszüge wirkten zerknautscht. Er hatte ein ekliges, falsches Lächeln, und ich konnte seine Verdorbenheit regelrecht spüren.
»Ihr bleibt hier. Kommt auf keinen Fall in das Haus, habt ihr verstanden?« Mommas Stimme schwankte. »Ich werde mit dem Mann über seinen Wohnwagen reden. Habt ihr verstanden? Rührt euch nicht vom Fleck! «
»Wer ist das?«, fragte Henry, nachdem Momma ausgestiegen war. Ihre Schritte waren unsicher.
»Das wissen wir nicht«, wimmerte Janie und schnalzte mit der Zunge.
Henry zog sich die Decke über den Kopf und drückte seinen Plüschdrachen an die Brust. Später kotzte er beides voll.
Der Mann grinste Momma verschlagen an, als sie auf ihn zustöckelte. Ich sah, wie er ihr mit der Hand über den Arm strich. Sie riss den Arm weg und funkelte den Mann böse an. Die Tür schloss sich hinter ihnen.
Wir warteten endlos in der Unheimlichkeit dieser tintenschwarzen, bedrohlichen Nacht. Nur die Zikaden waren zu hören. Bis zum heutigen Tag kann ich das Zirpen von Zikaden nicht ertragen.
Schließlich bekam ich so viel Angst um Momma, dass ich kaum noch atmen konnte und aus dem Auto stieg. Cecilia ging es genauso. Zitternd schlichen wir die Verandastufen hoch. Ich hielt Cecilias Hand, konnte ihr Entsetzen im ganzen Körper spüren, als wäre sie ein Teil von mir. In dem Moment, als wir die wacklige Veranda erreichten und an die Tür klopfen wollten, schoss Momma heraus und strich sich das Kleid glatt.
Ihr Gesichtsausdruck wechselte von verzweifeltem Selbsthass zu überschäumender Wut. »Ich hab euch beiden doch gesagt, dass ihr im Auto bleiben sollt! Habt ihr eure Momma nicht gehört? Seid ihr taub? Steigt sofort wieder ein!«
»Warte doch mal, River-Schätzchen«, sagte der zerknautschte Mann hinter ihr. »Ich wusste ja nicht, dass du deine Mädels mitgebracht hast, dass du deine Fohlen dabeihast.«
Er streichelte meine Wange. Momma reagierte so schnell, dass ich es nicht mal kommen sah. Sie boxte dem Mann mit beiden Fäusten so fest gegen den Arm, dass ihm ein »Scheiße« entfuhr.
»Nimm die Pfoten von meinen Mädchen!« Sie stellte sich vor uns und schubste uns in Richtung des Autos. »Los jetzt, Mädels. Lauft!«
Wir wollten laufen. Ich wusste, dass Cecilia rennen wollte, weil ich spürte, dass sie kaum noch Luft bekam, aber keine von uns bewegte sich. Wir würden Momma nicht mit diesem verschwitzten Kerl mit feistem Bierbauch und Schlägervisage allein lassen. Kam nicht infrage.
In dem gelben Licht entdeckte ich einen Bluterguss auf Mommas Wange. Sie hatte hohe, geschwungene Wangenknochen, und der Bluterguss war blaurot und geschwollen. In ihrem Mundwinkel klebte geronnenes Blut.
»Das hat Spaß gemacht, River. Richtig Spaß. Du kannst jederzeit zum Nachverhandeln wiederkommen.« Der Mann lachte. Er roch nach Rauch, Schweiß und purer Bösartigkeit. »Ich wusste ja nicht, dass du es gern grob hast. Du bist das reinste Wildpferd, River.«
Ich hörte Cecilia wie ein Tier knurren, bevor sie ihn ansprang. Ich tat es ihr nach, und schnell lag er am Boden, wir bearbeiteten ihn mit den Fäusten, beflügelt von unserer Wut. Er fluchte, und Momma versuchte uns von dem Kerl wegzuzerren.
Er war schnell und brutal und boxte Cecilia ins Gesicht. Ihr Kopf flog wie ein Punchingball nach hinten. Dann erwischte er mich. Das Blut spritzte mir auf mein Shirt, mein Rücken prallte gegen das Verandageländer.
Ich hörte ein hohes Quieken, dann sprang Henry vom Geländer, landete auf dem Rücken des Mannes, zog ihn mit beiden Händen an den Haaren und schrie: »Du tust meinen Schwestern nicht weh! Du tust Momma nicht weh! Momma nicht wehtun!«
Henry schlang seine Beine um den widerlichen Dreckskerl und versetzte ihm zwei ordentliche Hiebe, bevor der Mann ihn abschüttelte und Henrys Kopf mit einem dumpfen Knall auf dem Verandaboden aufschlug.
Janie erschien wie aus dem Nichts mit einem Ast und schlug ihn dem Mann ins Gesicht. Benommen stolperte er rückwärts und stürzte sich dann auf Janie. Sie erwischte ihn erneut am Kinn, was ihn allerdings nur kurz aufhielt. Grunzend schleuderte er sie die Verandastufen hinunter, wo sie auf dem Rücken liegen blieb.
Momma trat den Fiesling, drosch auf seinen Brustkorb ein, und ich rappelte mich benommen auf, schnappte mir einen Stuhl und
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