Rosarote Nachrichten: Roman (German Edition)
Macht doch neue, ja?«
Wir schlossen die Bäckerei um sechs. In den nächsten Wochen dehnten sich unsere Arbeitsstunden weiter aus. Wir arbeiteten sechzehn Stunden am Tag und sanken anschließend erschöpft in die Betten.
Ich wusste, dass wir nicht lange so weitermachen konnten, aber ich hatte Ziele. Ich hatte Pläne. Wir würden arbeiten, um für Momma Geld zu verdienen, würden Leute einstellen, die backen konnten und wussten, wie man eine Bäckerei führt, und ich würde nach Portland zurückkehren und mein altes Leben wieder aufnehmen; ich würde diese Stadt hinter mir lassen und wieder in der Realität leben.
Genau das würde ich tun.
Und vielleicht würde Momma diesmal anerkennen, was wir alles getan hatten.
Ich lachte.
Nee. Damit brauchten wir nicht rechnen.
Bao kam nach wie vor in die Bäckerei. Jeden Tag lächelte er mich an, schlurfte zum Ladentisch und bestellte. Ich glaube, er war der sanfteste Mann, dem ich je begegnet war.
Am Freitag bediente ich ihn, und er setzte sich und stellte sein Schachbrett auf. Ich brachte ihm einen kostenlosen Keks. Er lächelte. »Danke, Isabelle. Sie sind freundliche Frau.«
Janie und ich backten, und ich bediente die Kunden. Das Telefon klingelte, wir mussten Bestellungen aufnehmen. Eine Ladung Kuchenformen war nicht geliefert worden, wir hatten noch Vorräte abzuladen, die vor kurzem eingetroffen waren, wir mussten Torten und Cupcakes auf Bestellung backen, und wir waren völlig ausgelaugt.
Ich sah kurz zu, wie Bao gegen sich selbst Schach spielte, und schob die Zöpfe aus meinem verschwitzten Gesicht. Nichts sprach für meine nächste Entscheidung. Der Mann humpelte, bewegte sich langsam und konnte nur eine Hand gebrauchen. Ich handelte nach Instinkt, demselben Instinkt, der mich dazu gebracht hatte, nicht in einem bestimmten Hotel in Bagdad abzusteigen, das zwei Nächte später völlig zerbombt wurde.
»Bao«, sagte ich zu ihm. »Glauben Sie, Sie könnten Cupcakes und Torten glasieren?«
Bao war ein Geschenk.
Janie hatte ihm kurz gezeigt, wie man die Torten und Cupcakes glasierte, und er hatte sich an die Arbeit gemacht. Zuerst erledigte er nur die einfachen Aufgaben. Am Ende des zweiten Tages war er zum vollwertigen Tortenverzierer aufgestiegen.
Er war hervorragend, ging mit den Spritzbeuteln zu Werke wie ein richtiger Künstler.
Ein paar Tage später zeigte ich ihm, wie man Zitronen- und Kürbisbrot backt, und brachte ihm die Rezepte für unsere Zimtschnecken und das Tiramisu bei. Kein Problem.
Auch die Torten gelangen ihm aus dem Effeff.
Er erledigte alle Backarbeiten hervorragend und mit großer Sorgfalt.
Am Ende des ersten Tages umarmten wir ihn. Er erwiderte die Umarmung mit Tränen in den Augen.
Ich reichte ihm einen Anstellungsvertrag.
Er verbeugte sich.
»Nein, ich arbeite für euch, wenn ihr Bao braucht. Als Gefallen. Als Geschenk.«
»Danke, Bao. Ich weiß das zu schätzen, aber so geht das nicht. Heute war Ihr erster Tag, und wir bezahlen Sie dafür. Füllen Sie die Formulare aus. Wir sind alle Amerikaner. Wir lieben Formulare. Kommen Sie morgen wieder? Und übermorgen? Und dann jeden Tag wieder?«
Baos Lächeln veränderte sein Gesicht völlig.
»Bitte, Bao«, flehte Janie. »Wir brauchen Hilfe.«
Er hob die Augenbrauen und sagte leise, so als redete er mit sich selbst: »Ich habe Arbeit. Zum ersten Mal seit langer Zeit. Ich habe Arbeit.« Und er strahlte. »Ich habe Arbeit. Ich werde morgen hier sein. Früh.«
Während ich darauf wartete, dass ein weiteres Blech Riesencupcakes fertig wurde, machte ich Pause. Ich beschloss, einen Blick in die Bücher zu werfen. Mir mal anzusehen, wie es Momma finanziell ging.
Das war schnell erledigt. Schwer ließ ich mich auf den Stuhl sinken.
Ich trommelte mit den Fingern. Lehnte mich zurück. Legte meine Fingerspitzen aneinander. Es war schlimmer, als ich gedacht hatte. Momma hatte zweifellos einen Teil der Entschädigungssumme dazu benutzt, die Bäckerei wieder zu eröffnen. Aber sie konnte nicht backen. Sie war ungeduldig, und die ganze Sache langweilte sie. Wir drei hatten die Bäckerei zum Laufen gebracht, nicht sie.
Die Bäckerei wieder zu eröffnen, war ein schöner Wunschtraum von ihr. Momma hatte behauptet, sie hätte es getan, weil die Einwohner von Trillium River ihre Backwaren liebten und danach verlangt hätten. Ich schätzte eher, sie hatte sich Sorgen gemacht, irgendwann nicht mehr genug Geld zu haben und Grandma nicht mehr selbst pflegen zu können – und dass sie
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