Rosas Vermaechtnis
wahrsten Sinne des Wortes die Waffen streckte, denn genauso sah es aus, als er die Hand mit der Karte auf seinem Oberschenkel ablegte, die dort jetzt reglos verharrte.
»Ich denke, wir sollten unser Kochbuch auch einmal schätzen lassen«, legte Alexandra halblaut ihren Köder aus, als sie den Saal am Ende der Auktion unmittelbar hinter den beiden Männern verließen, »immerhin war Rosa Göttner auch damals schon eine berühmte Köchin.«
Bildete sie sich das ein oder hielt der jüngere der beiden Männer wirklich einen Moment lang in seinen Bewegungen inne, als sie besagten Namen erwähnte? Er drehte sich um und bedachte die beiden Frauen mit einem äußerst gewinnenden Lächeln.
»Verzeihen Sie, ich bekam eben zufällig mit, dass Sie den Namen Rosa Göttner erwähnten. Und Sie möchten gern wissen, ob das Kochbuch, das sich in Ihren Händen befindet, etwas wert ist?« Er machte eine Pause und schaute von einer zur anderen. »Hier ist meine Karte!« Mit einer eleganten Bewegung zog er eine Visitenkarte aus seiner rechten Brusttasche und überreichte sie Alexandra. »Ehe Sie jemand anderen fragen, wenden Sie sich lieber an mich. Ich handle mit alten Büchern und meine Kunden sind ernsthafte Sammler. Wenn Sie mögen, schaue ich mir das Exemplar gerne einmal an, damit Sie eine Preisvorstellung bekommen. Haben Sie das gute Stück dabei?« Allein der Tonfall seiner erwartungsvollen Neugier, der jenseits aller professionellen Freundlichkeit in seiner Frage lag, war ein Indiz für den Wert des imaginären Kochbuches.
»Leider nein«, hob Marie bedauernd die Schultern und lächelte ihr unschuldigstes Lächeln. »Es liegt gut verwahrt in einem Schließfach. Vielleicht ist das ja ein wenig übertrieben, aber wir wollten lieber vorsichtig sein.«
»Darf ich fragen, wie Sie in den Besitz des Buches gekommen sind?«
»Natürlich, Herr ...«, Alexandra warf einen Blick auf die Karte in ihrer Hand, »... Johannsen, wir haben es geerbt. Und da wir uns in diesem Bereich überhaupt nicht auskennen, wollten wir es erst schätzen und dann vielleicht versteigern lassen.«
»Meinst du, er hat uns die Geschichte abgenommen?«, fragte Marie wenig später auf dem Weg zum Hotel. »Für so naiv und ahnungslos, wie wir beide daherkamen, kann uns doch eigentlich niemand halten.«
»Überschätze die Männer nicht«, grinste Alexandra, »sie glauben doch ganz gerne, was sie von einer Frau präsentiert kriegen. Deshalb denke ich schon, dass dieser Johannsen uns auf den Leim gegangen ist. Und wenn auch andere etwas aufgeschnappt haben, kannst du sicher sein, dass die Kochbuchgeschichte die Runde macht. Ganz wohl ist mir allerdings nicht dabei, wenn ich es recht bedenke. Ich hoffe, wir haben keinen Fehler gemacht.«
Das ungute Gefühl blieb ihnen auch nach ihrer Rückkehr aus Hamburg erhalten. Alexandra sprach mit dem Hauptkommissar darüber, der sie in aller Form dafür rügte und sogar von einer Zeitbombe sprach, die sie gezündet haben könnten.
»Stell dir vor, die tauchen bei euch auf und wollen euch dazu zwingen, das Kochbuch rauszurücken! Ich fass' es nicht! Ein Kochbuch, das anscheinend viel wert ist, aber – und das ist ja das Verrückteste überhaupt – das ihr ja noch nicht einmal habt!«
In stillschweigendem Einverständnis begannen Alexandra und Marie am Wochenende mit der systematischen Suche nach Rosa Göttners Vermächtnis. Sie klopften Wände und Böden nach möglichen Hohlräumen ab, prüften die Dielenböden und ließen ihren Blick sorgfältig über die Ziegelwände gleiten, um festzustellen, ob es Unterschiede in der Verfugung gab. Vom Keller bis zum Dachboden durchforsteten sie jeden Raum in Hinblick auf ein Versteck, was sich besonders im Weinkeller schwierig gestaltete, sodass sie schließlich aufgaben.
»Wir können doch jetzt nicht jede Flasche einzeln wegräumen, um nachher alles wieder an seinen Platz zu stellen«, stöhnte Marie allein bei der Vorstellung auf. »Komm, wir setzen uns jetzt erst einmal hier auf die Treppe und verschwenden mal einen Gedanken daran, wo wir selbst etwas verstecken würden, damit es die Nachwelt irgendwann auch findet, denn das muss doch eigentlich Rosa Göttners Anliegen gewesen sein.«
Alexandra schaute sie nachdenklich an. »Stimmt, immer vorausgesetzt, dass keiner der Nachbesitzer es schon gefunden hat, nichts damit anzufangen wusste und es vielleicht einfach weggeworfen hat. Oder dass Rosa selbst es weggegeben hat. Auch diese Möglichkeit gibt es.«
»Aber es gäbe
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