Rose der Prärie
tiefe Furchen, als wäre ein Ochsenkarren darübergefahren.“
„ Wollen Sie damit sagen, dass ich ein Ochse bin?“ Die Worte kamen so schnell aus Helgas Mund, dass sie sie nicht zurückhalten konnte. Dann hoffte sie inständig, dass der Mann ihre Frage nicht beantworten würde. Wenn sie nicht so schwer wäre, würde der Rollstuhl auch nicht so tiefe Furchen hinterlassen.
„ Komm schon, Ma. Das war doch nur ein unüberlegter Spruch.“ Maggie schaufelte noch mehr Bohnen auf die Teller der Männer, als sie fortfuhr: „Das alles erinnert mich an die Geschichte in der Bibel, als vier Männer ein Loch ins Dach gemacht haben, um ihren gelähmten Freund zu Jesus zu bringen.“
„ Dieser Gedanke gibt mir Frieden.“ Todd schlug entschlossen auf den Tisch und alle zuckten zusammen. „Morgen werden wir es in Angriff nehmen!“
„ Wie in der Bibel, Ma.“ Maggie konnte selbst jetzt nicht aufhören zu plappern, obwohl sie doch ihren Willen bekommen hatte. „Nur werden Todds Freunde das Haus nicht auseinandernehmen, sondern besser machen.“
Helga wand sich innerlich. Aber ich bin der Gelähmte und ich werde nicht geheilt.
Nachdenklich löffelte Todd Zucker auf seinen Haferbrei und sagte: „Du trägst diese Kamee mehr als die anderen.“
Sofort griff Maggie sich an den Hals und strich mit den Fingerspitzen über die Schnitzerei. „Diese mag ich am liebsten wegen der Geschichte, die damit verbunden ist.“
„Völliger Unsinn mit deinen Geschichten.“ Ma verzog das Gesicht.
„ Siehst du die Frau hier?“, fragte Maggie. „Das soll Rahel sein, die ihre Schafe tränkt. In der Bibel sind die Brunnen immer draußen in der Natur und mit Steinen umgeben. Häufig liegt auch ein großer Stein über der Öffnung, um das Wasser im Brunnen zu schützen. Als Jakob dazukam, um den Stein für Rahel von der Öffnung zu entfernen, war es Liebe auf den ersten Blick. Diese Kamee ist eine Erinnerung daran. Aber der Schnitzer wusste nicht, dass die Brunnen damals anders aussahen. Darum steht hier auch eine Hütte und ein Baum. Das ist das Brunnenhaus. Der Mann, der diese Kamee geschnitzt hat, hat sie nach seinem Verständnis und seiner Vorstellung gemacht.“
„ Warum sollte man etwas behalten, das dumm und falsch ist?“, murmelte Ma leise.
Maggie sah Todd an und hoffte, er würde sie verstehen. Tat er das? Und wenn er es tat, würde er sie dann verteidigen und die besondere Bedeutung ihrer Kamee bewahren, oder würde sie durch die Bitterkeit einer alten Frau zerstört werden?
„ Der Mann hat nicht einfach nur eine schöne Frau geschnitzt, um die Augen der Männer auf ein Schönheitsideal ihrer Zeit zu lenken, Ma. Er wollte damit auch die Schönheit der Liebe und Ehe ausdrücken und den Segen, den Gott darauflegt.“
„ Er hat es falsch verstanden.“ Ma warf Maggie einen vielsagenden Blick zu.
„Gerade deshalb bedeutet sie mir so viel.“ Mit den Fingerspitzen fuhr sie langsam über den wunderschön verzierten Rand der Kamee und schloss für einen Moment die Augen. Dann öffnete sie sie wieder. „Wie der Schnitzer arbeite ich, um Gott zu gefallen, und trotzdem schaffe ich es oft nicht. Ich mache Fehler.“
„ Aber gerade darum brauchen wir die Gnade.“ Unter dem Tisch legte Todd seine Hand auf ihre und drückte sie. „Wenn wir ein schuldloses Leben führen könnten, hätte Christus sein Opfer für uns nicht bringen müssen. Ich enttäusche Gott auch oft.“
Wenn sie dieses Gefühl nur nehmen und in Flaschen füllen könnte! Sie würde jedes Gefäß damit füllen und jeden Hauch davon, der noch in der Luft lag, genießen. Todd hatte gerade zugegeben, was die meisten starken Männer niemals taten – jedenfalls nicht vor ihrer Braut und Mutter – dass er Fehler machte. Wenn ich diesen Duft benennen müsste, wäre es Glück? Zufriedenheit? Einigkeit?
Ma seufzte abgrundtief. „Wenn dir die Kamee so viel bedeutet, dann solltest du sie nur sonntags tragen, so wie heute. Aber du trägst sie auch an anderen Tagen.“
„ Weil sie mich immer wieder daran erinnert, dass Gott nicht nur meine Fehler, sondern auch mein Herz sieht. Er nimmt mich so, wie ich bin. So will ich auch mit anderen Menschen umgehen. Immer wenn ich diese Kamee trage, hilft sie mir, das nicht zu vergessen.“
Todd drückte ihre Hand noch etwas fester. „Als wir geheiratet haben, hast du mich auch so genommen, wie ich bin.“
Es berührte Maggie tief, dass er bei ihren Worten an ihre Hochzeit dachte. „Ja, das habe ich. Obwohl du für immer
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