Rose der Prärie
dass es überhaupt Personenwaggons gab. Das einzig wirkliche Gute war, dass sie diesen schrecklichen Ort endlich verlassen konnten.
Maggie kam mit tränenüberströmten Wangen zu ihnen, nachdem sie ihren Onkel ein letztes Mal geküsst hatte. Dann brach auch Jerlund in Tränen aus. Mit ihrer guten Hand zupfte Helga ihn am Ärmel. „Großvater braucht dich, damit du ihm Gesellschaft leistest und dich um ihn kümmerst. Todd braucht Maggie um sich und ich brauche sie, damit sie sich um mich kümmert. Komm, gib mir einen Kuss und wir schicken dir schon bald einen Brief nur für dich allein.“
Jerlund begriff sofort, dass er den Brief nicht bekommen würde, wenn Maggie und die anderen nicht wegfuhren und verabschiedete sich schnell.
Maggie flüsterte: „Vielen Dank, Ma.“
Der Rollstuhl passte nicht durch die enge Zugtür, deshalb trug Todd seine Mutter in den Zug. Dort entdeckte er, dass nur noch die schlechtesten Plätze frei waren: die ganz vorne, die keine Fenster hatten, und die ganz hinten in der Nähe der Toilette.
„Lassen Sie mich den Sitz für Sie umdrehen. Das habe ich für meine Familie auch gemacht.“ Ein Fremder machte sich an dem Sitz zu schaffen und bald kippte er tatsächlich nach hinten, sodass er dem hinteren Sitz gegenüberstand.
„Ist das nicht wunderbar? Vielen Dank für Ihre Hilfe“, bedankte sich Maggie bei ihm. „Das ist sehr freundlich.“
Angst machte sich in Helga breit, als Todd sie auf die Holzbank setzen wollte. Ich kann nicht alleine sitzen – ich falle sofort zur Seite. Aber Todd verstand sie. Er würde sich neben sie setzen. Kaum saß sie auf der Bank, kippte sie hilflos zur Seite.
„Ich brauche ein Seil, um Ma festzubinden“, raunte Todd Maggie zu.
Panik stieg in Helga auf. Ihr eigener Sohn würde sie festbinden wie einen Verbrecher und sie zum Gespött der Leute machen?
Jemand mischte sich ein: „Am einfachsten ist es, wenn man die nette, alte Dame mit Hosenträgern am Sitz befestigt. Ich habe gerade ein paar neue gekauft, Sie können die alten also gerne haben. Sie sind gleich hier in meiner Tasche.“
„Vielen Dank, aber wir haben schon eine bessere Lösung“, flüsterte Maggie. „Machen Sie sich keine Sorgen, Ma. Ich weiß schon, was wir tun können!“ Sie rannte zur Tür und schickte jemanden los. „Jethro ist losgelaufen, um mir seinen Lieblingsstuhl zu holen. Dass er es Ihnen erlaubt, ihn mitzunehmen, ist ein Zeichen seines Respekts für Sie.“
Ein Lieblingsstuhl! Helga hoffte, dass er ein ordentliches Kissen hatte. Die Holzbänke im Zug wurden schon nach wenigen Stunden äußerst unbequem. Eine schöne, lange Lehne würde auch ihren Kopf stützen. Vielleicht hatte Jethros Stuhl sogar Armstützen. „Aber der Zug fährt doch gleich ab“, rief Helga besorgt.
„Erst in ein paar Minuten.“ Jemand rief ihren Namen, deshalb lief Maggie zurück zur Tür.
Helga atmete erleichtert auf. „Heb mich wieder hoch, mein Sohn. Ich will in diesem Stuhl sitzen. Alles ist besser als die schreckliche Holzbank.“ Als Todd sie hochhob, kniff sie die Augen zusammen, damit sie die mitleidigen Blicke der Leute nicht sehen musste.
Etwas holperte über den Boden. „Ich habe die Seiten mit einem Quilt ausgestopft. Du kannst Ma jetzt hineinsetzen, Todd.“
Helga entfuhr ein erleichtertes Ahhhhhhh, als Todd sie in den Stuhl setzte. Umgeben von weichem Stoff und gut gestützt von allen Seiten konnte sie sich entspannen. Diese junge Frau hatte die ganze Zeit gewusst, wovon sie sprach. Helga schuldete Maggie ihren Dank. „Mein Kind ...“, begann sie und öffnete ihre Augen. Sofort verschlug es ihr vor Entsetzen die Sprache. „Du hast mich in ein Whiskyfass gesetzt!“
„Das hat schon seit Ewigkeiten keinen Tropfen von dem Feuerwasser mehr gesehen. Jethro hat fast die Hälfte der Fassdauben herausgenommen und einen Sitz hineingeklebt. Damit hat er sich seinen eigenen Glücksspielstuhl gebaut. Die gebogenen Holzplanken hier auf den Seiten, die kann man an einem Scharnier hochklappen. Am Tag lassen wir sie offen, und in der Nacht machen wir sie zu. Dann passt sogar noch ein Kopfkissen mit hinein.“
Ein Glücksspielstuhl, der aus einem Whiskyfass gebaut worden war. Was war nur los auf dieser Welt? „Ich werde nicht hier sitzen bleiben. Hier war mal Whisky drin.“ Dann sagte Helga Valmer Crewel etwas, das sie selbst bis heute noch nicht für möglich gehalten hätte. „Ich trage lieber die Hosenträger von diesem Herrn da.“
„Das brauchen Sie nicht. Das hier ist
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